Vor Gründungsparteitag der AfD-Jugend: Messeveranstalter beklagt massive Kritik und Bedrohungen

In einem offenen Brief hat die Pressestelle der Messe Gießen auf Angriffe gegen das Unternehmen im Zusammenhang mit der Vermietung an die AfD-Jugend Stellung genommen. Der Mietvertrag sei nach dem Prinzip der Neutralität erfolgt. Nun erlebe die Belegschaft jedoch massive Einschüchterungsversuche, auch seitens der Medien.

Die Pressestelle der Messe Gießen reagierte vor wenigen Tagen in einem offenen Brief der Mitarbeiter auf Angriffe gegen das Unternehmen im Zusammenhang mit dem Gründungsparteitag der AfD-Jugend in ihren Räumlichkeiten. Die AfD-Bundespartei will am letzten Wochenende im November eine neue Jugendorganisation gründen. Dafür hat sie die Hessenhallen in Gießen gemietet. Angemeldet für die Veranstaltung sind nach Parteiangaben etwa 1.000 Personen. Umgehend mit Bekanntwerden präsentierte und formierte sich eine aggressive Gegengruppierung, bestehend aus Antifa-Gruppen und staatlich subventionierten Organisationen "gegen rechts". 

Bereits in der Vorwoche veröffentlichte die Messe Gießen einen offenen Brief, um einleitend zu erklären, dass das Unternehmen als Firmenphilosophie "seit nunmehr 30 Jahren dem Prinzip der Neutralität" folge, dies bezogen auf Vermietungen unterschiedlichster Couleur. Weiter heißt es:

"Dies führt zu einem abwechslungsreichen Veranstaltungskalender, in welchem unter anderem auch politische Parteien vertreten sind. Dieser bietet damit auch immer wieder Anlass zu Diskussionen um Veranstaltungen, die an uns von außen herangetragen werden."

Bezüglich des laufenden Vertrags mit der AfD für das Wochenende 29. und 30. November würden sich jedoch erstmalig Paralleldynamiken ergeben, die die Notwendigkeit des offenen Briefes erfordern. Dazu heißt es:

"Im Falle der AfD ist nun ein Novum an Widerstand, die Veranstaltung ist weder politisch noch medial erwünscht, eine objektive Aufarbeitung unserer Rolle findet nicht statt. Das führt dazu, dass wir als Unternehmen und wir als Mitarbeiter medial angegriffen, boykottiert und als rechtsextrem eingestuft und beleidigt werden." 

Die Geschäftsführung samt Mitarbeitern habe erkennen und neu erleben müssen, dass der Umgang "von außen mit uns als Menschen dabei alles andere als tolerant" sei. Laut der Messe-Mitteilung gehe es für die Mitarbeiter mittlerweile darum, "das eigene Leben und das Leben der Familie" zu schützen. So heißt es:

"Im Gegenteil, wir werden angefeindet und verurteilt, beleidigt und ausgegrenzt. Dies geht soweit, dass wir die Namen der Mitarbeiter von der Website nehmen mussten und Angebote der Polizei vorliegen, um Verhaltensweisen zu erlernen, die das eigene Leben und das Leben der Familie schützen."

Zur großen Irritation gehören dabei nicht nur Vorwürfe durch bekannte Anti-AfD-Gegengruppierungen, sondern auch seitens journalistischer Publikationen. Das Unternehmen erklärt:

"Wir sind zutiefst erschüttert über das Verhalten von Medien, Politik und Teilen der Gesellschaft, die am Ende immer weiter polarisieren, Hass und Hetze verstärken. Uns erreichen ständig Presseanfragen z.B. 'wieso lehnen Sie die AfD nicht wie die Arena in Wetzlar ab'." 

Die bis dato erfolgte Berichterstattung zu der geplanten Veranstaltung sei "in höchstem Maße irreführend und polarisierend". Die Geschäftsführung werde permanent gefragt, "warum wir nicht 'Nein' gesagt haben, gleichwohl diese Entscheidung bereits vom Gesetzgeber getroffen ist und von den Gerichten durchgesetzt wird". Zur erweiterten Erklärung, in dem Falle Rechtfertigung, heißt es in dem Brief:

"Wir handeln nach klaren Prinzipien, welche dem demokratische Fundament der Bundesrepublik folgen, nämlich vor allem der Versammlungsfreiheit, die im Grundgesetz verankert ist. Statt zu verurteilen könnten sich politische Akteure der Verantwortung stellen und für ein Parteiverbotsverfahren kämpfen, denn nur so kann der Konflikt aufgelöst werden. Dies ist aber eine politische Aufgabe (...)" 

Zu den breiten Forderungen, sich eindeutiger gegen die AfD zu positionieren und die Räumlichkeiten rückwirkend zu kündigen, lauten die Ausführungen:

"Nach § 5 Abs. 1 PartG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG muss das Unternehmen alle zugelassenen Parteien gleichbehandeln, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung. Gegenüber der grundgesetzlich gesicherten Versammlungsfreiheit tritt die unternehmerische Vertragsfreiheit zurück und das Unternehmen muss der AfD, wie anderen Parteien in der Vergangenheit, Räume im Messegelände zur Verfügung stellen. So wird es durch Recht und Gesetz vorgegeben."

Der sich daraus ergebene Vorwurf an die Gießener Lokalpolitik lautet:

"Entgegen der Auffassung von Oberbürgermeister Becher reicht es in diesem Fall nicht, Haltung zu zeigen ('Andere Messebetreiber haben eine andere Haltung gezeigt'). Diese wird durch die Gerichte schnell wieder korrigiert. Das Unternehmen ist und bleibt Recht und Gesetz verpflichtet und handelt politisch, ideologisch neutral. Die einzig legitime Haltung für ein Unternehmen in einem Rechtsstaat ist die Einhaltung von Recht und Gesetz."

Hinsichtlich der breiten Mobilisierung und angekündigten Straftaten seitens der Antifa ("Stadt Gießen zum Brennen bringen") sowie der Bedrohungen gegen das Unternehmen samt Mitarbeiter lautet das abschließende Resümee, dass "die Politik dagegen nicht einschreitet und lieber ein Unternehmen und dessen Mitarbeiter opfert".

Die hessenschau berichtet, dass an dem Wochenende in der Stadt Gießen "eine fünfstellige Zahl von Gegnern der AfD erwartet" wird. Nach Angaben der Behörden sind demnach "derzeit 17 Gegenveranstaltungen mit insgesamt 18.000 Teilnehmenden angemeldet". Laut Stadt und Polizei könnten es aber "aufgrund von Erfahrungen aus anderen Städten bis zu 40.000 Teilnehmer werden (Stand Mitte November)". Hinter der Großdemo steht das Bündnis Widersetzen. Aktuell wurden demnach bereits mehr als 200 Busse bundesweit gechartert.

Die Zeit berichtete bereits in der Vorwoche, dass nach Angaben des AfD-Vorstands "mindestens ein Hotel sowie Caterer" Anmietungen und Verträge aufkündigten.

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