Nach internen "Streitigkeiten" hat die Große Koalition vor wenigen Tagen die rückwirkende Regelung beschlossen, dass "alle Ukrainer, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, künftig wie Asylbewerber behandelt werden", zitiert die Bild aus Regierungskreisen. Im Rahmen des sogenannten "Rechtskreiswechsels" bedeutet dies, dass mit Ankunft in Deutschland entsprechend weniger Leistungen zu erwarten sind, da das automatische Bürgergeld nicht mehr gewährt wird. Auf einem Handelskongress in Berlin erklärte Bundeskanzler Merz wörtlich, dass er den ukrainischen Präsidenten "darum gebeten hat, dafür zu sorgen", dass junge Ukrainer "den Dienst in ihrem Land versehen".
Die Bundesregierung plant, die seit 2022 selbstverständlichen Leistungen für Ukrainer in Deutschland zu kürzen. Die Koalition sieht demnach vor, dass Geflüchtete, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, nur noch so viel Geld erhalten wie reguläre Asylsuchende. Dies bestätigt die Nachrichtenagentur dpa "unter Berufung auf einen ihr vorliegenden Gesetzentwurf", nachdem zuvor die Bild erste Interna "exklusiv" erfuhr. Dazu heißt es weiter in einem Zeit-Artikel:
"Das Bürgergeld beläuft sich auf genau 563 Euro, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Alleinstehende liegen bei 441 Euro. Betroffenen stünden demnach im Monat 122 Euro weniger zur Verfügung."
Geflüchtete Ukrainer mit Aufenthaltserlaubnis, "die schon arbeiten, sich aber die Miete nicht leisten können", können zudem Wohngeld beantragen, so die geltende Regelung der Bundesregierung. Zum Thema Bürgergeld erklärt die Bild-Redaktion zu der Ankündigung:
"Ursprünglich war geplant, die Ukrainer rückwirkend aus dem Bürgergeld zu nehmen. Doch es gab Widerstand von Kommunen und Ländern. Begründung: viel zu kompliziert!"
Ein "hochrangiges Koalitionsmitglied" hätte der Bild-Redaktion zu Protokoll gegeben:
"Der bürokratische Aufwand wäre zu groß geworden, die Kommunen und Länder hätten den Aufstand geprobt – das ist den Aufwand nicht wert. Wichtig ist nur, dass wir das geregelt haben."
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hätten sich nach Bild-Informationen auf den sogenannten Rechtskreiswechsel geeinigt.
Die neue Regelung betrifft dabei eine bis dato geringe Zahl an ukrainischen Flüchtlingen. So halten sich in Deutschland derzeit rund 700.000 Ukrainer auf, die Bürgergeld erhalten. "83.640 sind seit dem 1. April zu uns gekommen", so der Bild-Artikel.
Medienberichte zitieren jüngste Aussagen des Kanzlers in Berlin. So berichtet der Berliner Tagesspiegel:
"Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, dass insbesondere junge Männer aus der Ukraine statt einer Ausreise nach Deutschland 'den Dienst in ihrem Land versehen' sollten. Er habe an diesem Donnerstag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj 'darum gebeten, dafür zu sorgen', sagte Merz in einer Rede auf dem Handelskongress Deutschland am Nachmittag in Berlin. In der Ukraine 'werden sie gebraucht', sagte Merz weiter."
Parallel veröffentlichte das Bundeskanzleramt eine Pressemitteilung zum Thema der Korruptionsermittlungen in der Ukraine. So erklärte das Presseteam der Bundesregierung:
"Bundeskanzler Friedrich Merz hat heute mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskij, telefoniert. Präsident Selenskij informierte über die Korruptionsermittlungen gegen inzwischen zurückgetretene Mitglieder seiner Regierung und sagte dabei vollständige Transparenz, langfristige Unterstützung der unabhängigen Anti-Korruptionsbehörden sowie weitere rasche Maßnahmen zu, um das Vertrauen der ukrainischen Bevölkerung, der europäischen Partner und der internationalen Geber zurückzugewinnen."
Hinsichtlich der Merz-Aussagen auf dem Kongress heißt es lediglich:
"Der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident tauschten sich zudem über die Lage der ukrainischen Geflüchteten aus; Präsident Selenskij werde sich der Frage zunehmender Ausreisen junger ukrainischer Männer in die Europäische Union annehmen."
Der ukrainische Präsident bestätigte auf X das Telefonat und kommentierte, dass er sich für den Rat des Kanzlers bedanke und alles tun werde, um das Vertrauen der Partner zu stärken.
Die Merz-Forderung, dass "insbesondere junge Männer aus der Ukraine statt einer Ausreise nach Deutschland den Dienst in ihrem Land versehen sollen", wurde dann im Verlauf des Nachmittags auch von der Nachrichtenagentur AFP berichtet.
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