"Schweinezyklus": Kartoffeln vernichten für die Rendite

Riesige Kartoffelernte für den Müll: Um einen Preissturz zu verhindern, die Renditen großer Händler und verarbeitender Konzerne nicht zu gefährden und ihr eigenes Überleben zu sichern, sind Bauern gezwungen, tonnenweise Knollen in den Müll zu werfen oder an Biogasanlagen zu verhökern.

Von Susan Bonath

Mehr als eine Milliarde Menschen leben weltweit in extremer Armut. Sie haben nicht nur keinen Zugang zu Bildung und Energie, viele von ihnen leiden Hunger.  Derweil verrotten auf deutschen Äckern die Kartoffeln – oder landen tonnenweise im Müll oder in den Biogasanlagen

Künstliche Verknappung

Der Grund liegt in der Absurdität des Wirtschaftssystems: Die Ernte war in diesem Jahr so gut wie seit 25 Jahren nicht mehr, heißt es. Die Rede ist von insgesamt 13,4 Millionen Tonnen Ertrag. Das sind etwa drei Millionen Tonnen Knollen mehr, als für die Versorgung in Deutschland nötig wären. Um deshalb die Preise nicht in den Keller purzeln zu lassen – was gut für Verbraucher wäre, aber leider den Profit der großen Konzernketten schmälern würde – nehmen Handel und Industrie große Mengen des Ertrags nicht ab.

Freilich denkt auch keiner nur im Traum daran, lange haltbare Lebensmittel aus den günstigen Kartoffeln herzustellen oder gar Hungernde mit dem produzierten Nahrungsüberfluss zu versorgen. So wird das Ackergold verfeuert, verfault auf den Feldern oder landet im Müll. Man kennt das selbstgemachte Problem ja schon von den "Butterbergen", den "Milchseen" oder von in Lagern verrottenden Getreidemassen, die zwar Hunger stillen könnten, aber mangels Kaufkraft die Bedürftigen nie erreichten.

"Schweinezyklus"

Die künstliche Verknappung durch Vernichtung um der Profite willen ist Alltagsgeschäft im Kapitalismus, der auf die Massen keine Rücksicht nimmt. Darunter leiden zuerst die Bauern, die den Preisverfall am ärgsten ausbaden. Denn sie bekommen derzeit für ein Kilo Kartoffeln nur noch sechs bis sieben Cent, wie sie gegenüber Medien berichteten. Die gleichen Knollen liegen bei Rewe, Aldi und Co. nun für 70 Cent bis zu einem Euro pro Kilo aus, heißt es. So lohnt sich das Geschäft zumindest für die Supermärkte.

Im Fachjargon der Markt-"Experten" haben diese bei Nahrungsmitteln kaum vorhersehbaren periodischen Schwankungen der Angebotsmenge und des Preises sogar einen Namen: Schweinezyklus nennt man das.  In diesem Wahnsinn, wo nur die Rendite des Großkapitals statt der Versorgung der Bevölkerung zählt, bleiben die kleinen und mittelständischen Erzeuger, die auf den Feldern ackern (lassen), zusammen mit den Verbrauchern am Ende stets die Dummen.

Mangelwirtschaft für Rendite

So klagte Bauer Christian Schridde aus Niedersachsen gegenüber dem Axel-Springer-Boulevardblatt Bild, er habe 400 Tonnen Kartoffeln, ein Fünftel seiner Ernte, an Biogasanlagen verkauft, um überhaupt noch etwas herauszubekommen. Sein Fazit: Nächstes Jahr will er den Anbau halbieren.

Schriddes Beispiel wird vermutlich Schule machen. So wird 2026 wohl wieder zu einem Jahr des Mangels und der hohen Preise werden. Manch ein Landwirt, der bis dahin nicht pleite gegangen ist, wird wahrscheinlich aufatmen. Und die Bevölkerung wird wieder stöhnen über teure Grundnahrungsmittel.

Springer ätzt gegen Bauern

Doch das für Hetzkampagnen bekannte Springer-Blatt ließ sich nicht lumpen und legte nach: Nicht das System sei schuld, in dem die mächtigeren Handelsgiganten und Großkonzerne um ihrer eigenen Rendite willen weder auf die Existenz der kleinen Landwirte noch der Normalbevölkerung irgendeine Rücksicht nehmen

Die Gazette zeigte stattdessen mit dem Finger auf die Bauern, machte sie zum Buhmann und ätzte: Diese würden "trotzdem Millionen Euro Steuermittel kassieren." Gemeint ist die EU-Förderung für Landwirte von insgesamt 48 Millionen Euro pro Jahr. Dass davon für den einzelnen Kleinbauern bestenfalls ein kaum spürbarer Minibonus herauskommt: geschenkt.

Klar, laut der allgegenwärtigen marktradikalen Propaganda kann Deutschland wohl auf Landwirtschaft verzichten, wenn selbige sich nicht rentiert – selbst wenn das Gros der Bevölkerung sich dann das Essen nicht mehr leisten könnte. Die superreichen Profiteure könnten für ihren eigenen Bedarf ja den "Globalen Süden" einfach noch ein bisschen stärker ausbeuten – Ausbeutung, Hunger und Elend hin oder her.

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