Stahldialog: Russische Importe "endlich beenden" – Industrie will Grünstahl über "Anreize" erwerben

Die Regierungsspitze traf sich zum "Stahldialog" im Kanzleramt. Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil erklärten im Anschluss, die Koalition "werde wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Branche schaffen." Diese solle über "Anreizsysteme" mehr in grünen Stahl investieren.

Bundeskanzler Friedrich Merz bestellte am 6. November Führungskräfte der Stahlindustrie und der Gewerkschaft IG Metall ins Kanzleramt, da seiner Wahrnehmung nach die Branche sich in einer "existenzbedrohenden Krise" befinde. Anwesend auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und weitere Branchenvertreter. In einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerten sich Merz und Klingbeil zu den Ergebnissen des "Stahldialogs". Für den Kanzler "gehen die Vorschläge der Europäischen Kommission in die richtige Richtung", dies bezogen auf "marktverzerrende Praktiken internationaler Wettbewerber". 

Die deutschen Stahlwerke können wegen der andauernd hohen Energiekosten kaum noch wettbewerbsfähig produzieren. Der Bundesregierung ist dieses eigenverschuldete Problem mehr als bewusst, daher wurden am gestrigen Tag "fünf Bundesminister, Ministerpräsidenten aus sieben Bundesländern sowie Vertreter der Stahlindustrie und von Arbeitnehmern ins Kanzleramt eingeladen, um über Auswege aus der Krise zu beraten", so der Spiegel (Bezahlschranke). Kanzler Merz erklärte im Anschluss vor den Hauptstadtjournalisten:

"Wir teilen die Sorge der Industrie, der Stahlindustrie um die gegenwärtige Wirtschaftslage. Die Unternehmen sind in einer existenzbedrohenden Krise. Deswegen war dieser Stahldialog, wie er genannt wurde, dringend notwendig."

Der Spiegel-Artikel führt aus:

"Teure Energie ist einer der Hauptgründe, warum deutscher Stahl Probleme auf dem Weltmarkt hat. Besonders betroffen sind die sogenannten Elektrostahlwerke […] 2019 kostete die Herstellung einer Tonne Stahl in Deutschland knapp 440 Euro, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. 2023 aber seien es schon 550 Euro pro Tonne gewesen. Die Umstellung auf die Herstellung mit klimafreundlichem Wasserstoff könnte die Kosten sogar auf 810 Euro pro Tonne treiben."

Kanzler Merz erklärte phrasierend zu diesen Realitäten:

"Das zweite große Thema ist die Energiepolitik und die Transformation hin zu klimaneutralem Stahl. Wir haben verabredet, dass wir alle Anstrengungen unternehmen und verstärken, um die Energiepreise in Deutschland zu senken. Das gilt insbesondere für diese Industrie, die das dringend braucht. Ohne eine wirksame Absenkung der Strompreise ist diese Industrie nicht überlebensfähig. Wir wollen das gemeinsam auf den Weg bringen."

Merz führte weiter aus, dass Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche "seit Monaten in Brüssel um einen Industriestrompreis verhandeln" würde. Der Bund gehe davon aus, "dass wir bald auch Klarheit darüber haben, ob dieser Industriestrompreis genehmigt werden kann. Die Aussichten sind gut", so der Kanzler.

Finanzminister Lars Klingbeil erinnerte zum Abschluss seiner Ausführungen, nach unwesentlichen Allgemeinformulierungen, an seine Aussage zu Wochenanfang, "dass wir endlich den Import russischer Stahlbrammen einstellen müssen." Dazu führte er weiter aus:

"Ich kann niemandem erklären, dass wir auf der einen Seite nach finanziellen Möglichkeiten suchen, um die Ukraine weiter zu unterstützen, und auf der anderen Seite, obwohl es der heimische Stahlmarkt leisten könnte, trotzdem noch Brammen aus Russland importieren. Das muss beendet werden. Darüber haben wir eine absolute Klarheit in der Regierung. Dafür werden wir uns einsetzen."

Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) sind dabei die Importe russischer Brammen und Halbzeuge in die EU im laufenden Jahr auf 3,56 Millionen Tonnen gestiegen, nach 3,26 Millionen Tonnen im Vorjahr – ein Zuwachs von gut neun Prozent. 

Gunnar Groebler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, gab sodann seine Sicht auf die "Nachfrage nach Grünstahl" zum Besten. Groebler gab zu Protokoll, dass zwischen den Industrievertretern und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder Einigkeit zu diesem Thema bestehe:

"Es gilt aber auch im privaten Bereich, in der Privatwirtschaft, über Anreizsysteme die Nachfrage nach grünem Stahl anzukurbeln, um letztendlich auch dort in den Tritt zu kommen. Auch darüber bestand große Einigkeit und auch ein gemeinsames Verständnis, was die Geschwindigkeit angeht. Wir haben heute sehr viel Einigkeit in diesem Kreis gehabt und gesehen. Wir haben ein gemeinsames Verständnis zum Thema der Geschwindigkeit." 

Im Juni dieses Jahres hatte Siegfried Russwurm, der Aufsichtsratschef des Stahlkonzerns Thyssenkrupp, in einem Zeit-Interview erklärt, dass grüner Stahl aus Deutschland auf absehbare Zeit nicht rentabel sei (Bezahlschranke). So erklärte Russwurm unter anderem:

"Der Stahl aus der Duisburger Direktreduktionsanlage wird teurer sein als der heutige Hochofenstahl – und auch teurer als grüner Stahl aus anderen Regionen der Welt. Es ist daher eine politische Frage. Wollen wir das? Rein marktwirtschaftlich ist grüner Stahl aus Deutschland auf absehbare Zeit nicht wettbewerbsfähig."

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