Vizeadmiral a.D. Schönbach rechtfertigt neues Wording: Auch Verteidiger müssen siegfähig sein

Der Generalinspekteur des Heeres, Christian Freuding, ruft Soldaten der Litauen-Brigade dazu auf, "siegfähig" zu werden. Dieser rhetorische Wandel war das Gesprächsthema bei einem Bürgerdialog in Berlin mit ehemaligen Führungskräften der Bundeswehr. Laut Vizeadmiral a.D. Schönbach sei er selbst einer der Urheber des neuen Begriffs.

Der frühere Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral a.D. Kay-Achim Schönbach, verteidigte anlässlich einer Berliner Podiumsdiskussion zum Thema "Europa zwischen Krieg und Frieden – Wird Deutschland zum Schlachtfeld?" die neue Bundeswehr-Sprachregelung "Siegfähigkeit". Der Begriff "Siegfähigkeit" beziehungsweise das Adjektiv "siegfähig" war in letzter Zeit vermehrt im Sprachgebrauch von Vertretern der Bundeswehr aufgetaucht (RT DE berichtete).

Schönbach zufolge sei die Vokabel "siegfähig" nicht auf den Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Christian Freuding, zurückzuführen, sondern sei seinerzeit von ihm persönlich gegenüber der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebracht worden (dies dürfte dann spätestens im Jahr 2021 der Fall gewesen sein, da Kramp-Karrenbauer nur zwischen Juli 2019 und Dezember 2021 im Amt war; der im März 2021 ins Amt des Heeresinspekteurs berufene Schönbach wurde wiederum im Januar 2022 abgelöst). Damit beansprucht Schönbach, den Begriff bei der Bundeswehr in Umlauf gebracht zu haben, zusammen mit dem kürzlich entlassenen Heeresinspekteur Generalleutnant Alfons Mais.

Der inzwischen außer Dienst gestellte Berufsoffizier Schönbach rechtfertigte die Begriffsprägung mit einem Vergleich, von dem er selbst im Voraus einräumte, dass er nicht ganz passe: Er verglich den militärischen Kampfeinsatz mit einem Fußballspiel, bei dem man sich fragen müsse: "Wollen Sie mitspielen oder wollen Sie gewinnen?" Ein militärischer Kommandant wolle zusammen mit seinen Truppen siegen. Ansonsten brauche man gar nicht mitzuspielen. Auf der militärischen Ebene hieße das, auf Truppen zu verzichten. So, wie es auch einige Zuschauer der Diskussionsrunde begrüßen würden. Wenn aber Soldaten erst einmal aufgestellt wären, die im Zweifelsfall in den Kampf geführt werden müssten, dann müsse man auch den Sieg wollen.

Schönbach – ganz loyaler Bundeswehrangehöriger – ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Bundeswehr im Ernstfall "der Kampf aufgedrängt" würde, denn: "Wir wollen ja keine Angriffskriege führen, wir wollen verteidigen." Wenn man aber verteidigen wolle, dann müsse man auch den Soldaten die Gelegenheit geben, nicht nur einfach zu überleben, sondern auch zu siegen. Und – an die Zuhörer gerichtet: "Denn das ist letzten Endes Ihr eigenes Überleben." Verteidigung müsse siegfähig sein, so Schönbach: "Wenn wir nämlich Verteidigung nur verloren haben, dann haben wir gar nichts." Und Verteidigungsfähigkeit sei schließlich das Ziel des Grundgesetzes. Dies sei mit "siegfähig" gemeint. Die Wortprägung beinhalte keine Eskalation im Sinne einer Steigerung "verteidigungsfähig" – "kriegstüchtig" – "siegfähig".

Diese Deutung, die mit Applaus aus dem Zuschauerraum gewürdigt wurde, setzt freilich Vertrauen in die lauteren Absichten der Bundesregierung und der Bundeswehrführung voraus – ein Vertrauen, das Russland nicht ohne Weiteres aufbringen kann, würden Kritiker vermutlich hinzufügen. Ebenso erklärt sie nicht, warum überhaupt eine Ablösung des weniger drastisch klingenden "verteidigungsfähig" nötig geworden ist, wenn es doch dasselbe bedeuten soll.

Litauen-Brigade unnötig 

Vizeadmiral a.D. Schönbach nahm auch zur Stationierung einer Bundeswehr-Brigade im Baltikum Stellung. Er wurde in einer journalistischen Frage darauf hingewiesen, dass die Aufstellung der NATO-Truppen angesichts der Spannungen in der Region das Baltikum in ein Pulverfass verwandeln könnte. Die Stationierung einer ganzen Brigade von rund 5.000 Mann hält Schönbach für unnötig. Für die sogenannte Tripwire-Funktion hätten es die früheren, an Umfang weitaus geringeren Bundeswehr-Kontingente auch getan. Dies sei seine persönliche Meinung.

Mit der Tripwire-Strategie – auf Deutsch "Stolperdraht" – ist gemeint, dass die Stationierung von NATO-Truppen Russland von einem angeblich beabsichtigten Überfall auf das Baltikum abhalten soll, weil damit automatisch andere NATO-Länder mit involviert wären. Die ursprüngliche Idee sei gewesen, NATO-Truppen aufgrund der Bedrohungswahrnehmung der Balten (O-Ton Schönbach: "nicht, weil es so ist, sondern weil sie das so empfinden") dort zu stationieren.

Es blieb an diesem Abend keine Zeit mehr für die Frage, warum dann gleich eine ganze Brigade in Litauen stationiert werden soll. Ebenso für die Frage, warum man auf der Grundlage von ‒ so Schönbach ‒ unbegründeten Bedrohungsgefühlen eine Verschlechterung des Verhältnisses zu Russland in Kauf nehmen müsse.

Die Podiumsdiskussion mit dem Ex-Chef der Deutschen Marine fand auf Einladung der Modrow-Stiftung am 31. Oktober in Berlin-Friedrichsfelde statt. Weitere Teilnehmer der komplett ausgebuchten Veranstaltung waren der Militäranalyst und Mitarbeiter des Schweizer Generalstabs Ralph Bosshard und der 13. Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General Harald Kujat. Moderiert wurde die Runde vom freien Publizisten Patrik Baab.  

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