"Rahmenplan" durchgesickert: So werden Krankenhäuser in Berlin auf Russland-Krieg vorbereitet

Der "Berliner Zeitung" liegt der streng vertrauliche "Rahmenplan Zivile Verteidigung" des Berliner Senats vor, mit dem die Kliniken der Hauptstadt auf einen Krieg mit Russland vorbereitet werden sollen. Dieser sieht unter anderem eine sogenannte Triage zugunsten des Militärs vor.

Deutschland soll möglichst schnell kriegstüchtig werden. Parallel zur militärischen Aufrüstung und zu Überlegungen zur Ausrufung eines Spannungsfalls wird deshalb auch die sogenannte "Zivile Verteidigung" vorangetrieben.

Im Fokus liegen dabei die Krankenhäuser, die sich im Fall eines Krieges mit Russland nach Bundeswehrschätzung täglich um bis zu eintausend verwundete Soldaten kümmern müssten. Allein in Berlin müssten demnach einhundert verwundete Soldaten täglich versorgt werden.

Um das zu gewährleisten, hat die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege gemeinsam mit den großen Kliniken der Hauptstadt den "Rahmenplan Zivile Verteidigung Krankenhäuser Berlin" erarbeitet.

Bislang waren nur einzelne Passagen aus dem streng vertraulichen Arbeitspapier bekannt, das nun der Berliner Zeitung exklusiv vorliegt. Das 26-seitige Papier steckt demnach "voller brisanter Szenarien und Anordnungen, die bislang nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind".

Gleich zu Beginn werde darin der Bezug zum aktuellen Weltgeschehen hergestellt. Der russische "Überfall" auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stelle einen zentralen Wendepunkt im Umgang mit der zivilen Verteidigung in Deutschland dar. Anschließend wird Generalmajor Andreas Henne mit den Worten zitiert, die jüngst auch Bundeskanzler Friedrich Merz verlauten ließ: "Wir sind nicht mehr im Frieden, aber auch noch nicht im Krieg." Daher sollte die gesamte Gesellschaft "verteidigungswillig" sein. 

Besonders heikel sei laut Berliner Zeitung eine Passage, die den Behörden weitreichende Befugnisse zuschreibt. "Demnach könnten die nach Landesrecht zuständigen Behörden nach Freigabe durch die Bundesregierung anordnen, dass Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung ihre Leistungsfähigkeit auf die Anforderungen im Verteidigungsfall umstellen, erweitern und ihre Einsatzbereitschaft herstellen", heißt es in dem Zeitungsbericht. 

Der Rahmenplan beschreibt sechs Basisszenarien, von "erhöhtem Patientenaufkommen und funktionsfähiger Infrastruktur" bis zu "kriegerischer Auseinandersetzung in Berlin" und "vollständiger Evakuierung des betroffenen Gebietes (Berlin)". Im Ernstfall müsse der Klinikbetrieb radikal umgebaut werden:

"Bei Eintritt des Falles der 'Zivilen Verteidigung' ist damit zu rechnen, dass der Klinikbetrieb grundlegend umstrukturiert und angepasst werden muss […] die Berliner Plankrankenhäuser müssen in der Lage sein, von Individualmedizin auf Katastrophenmedizin umzustellen."

Die Berliner Zeitung zitiert dazu die Medizinerin Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende des Vereins "Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs" (IPPNW), die von einem "Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung" spricht. "Nicht die individuelle Gesundheit steht im Mittelpunkt, sondern der Versuch, mit der Realität eines Krieges zurechtzukommen", so Claußen. Es sei eine Beschönigung der Tatsache, dass es sich um Kriegsmedizin handeln werde. Das Mindeste sei es, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken: "Es geht um die Vorbereitung der Krankenhäuser auf Krieg,", so die IPPNW-Vorsitzende.

Um die Versorgung der verwundeten Soldaten im Ernstfall gewährleisten zu können, müssten laut dem Rahmenplan Kapazitäten geschaffen werden, indem bereits aufgenommene Patienten "nach Möglichkeit entlassen bzw. in eine Klinik oder Station mit niederer Versorgungsstufe verlegt werden". Krankenhäuser sollten Betten "für die Rehabilitation verletzter Streitkräfte vorhalten". 

"Hier wird deutlich, dass die bestmögliche Versorgung der verletzten Soldaten priorisiert wird, mit dem wahrscheinlichen Ziel der erneuten Kriegsverwendungsfähigkeit. Patienten sollen entlassen werden, um Platz zu machen für Soldaten",

kommentiert Claußen die brisanten Pläne. Diese sehen auch eine Triage vor, also die Priorisierung und Auswahl von Behandlungsmaßnahmen bei einer Übernachfrage an medizinischen Ressourcen. Mit anderen Worten: Es wird eine Vorauswahl getroffen, bei wem sich die medizinische Versorgung noch "lohnt". Schwer verwundete Soldaten, die nur geringe Aussichten haben, wieder "kriegstüchtig" gemacht werden zu können, würden dann vernachlässigt und mitunter ihrem Schicksal überlassen. 

Konkret heißt es dazu im Rahmenplan: "Die medizinische Triagierung im Krankenhaus (…) betrifft die Triagierung bzw. die Priorisierung von militärischem Personal im Verhältnis zu Zivilisten." Was das in der Praxis bedeutet, beschreibt Angelika Claußen so:

"Triage im Krieg zielt darauf, verwundete Soldaten wieder kriegstüchtig zu machen. Die Zivilbevölkerung kommt ganz zum Schluss."

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