Die Fraktion von CDU/CSU hat die für kommende Woche geplante erste Lesung des Wehrdienstgesetzes von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im Bundestag blockiert. Das bestätigten Verteidigungspolitiker von Union und SPD dem Spiegel, nachdem die Bild-Zeitung über den sich anbahnenden Krach in der Regierungskoalition berichtet hatte.
Die Union will demnach noch vor der ersten Lesung Änderungen im Gesetzentwurf durchsetzen, den das Kabinett bereits Ende August verabschiedet hatte. Die Union will nun verbindliche Zielmarken für die geplante Personalstärke der Bundeswehr definieren. Sollten die nicht erreicht werden, müsse die Wehrpflicht wieder greifen.
Die Sozialdemokraten bestehen hingegen darauf, dass der neue Wehrdienst freiwillig bleibt. In der Kabinettsfassung für das Gesetz hat Pistorius vorgesehen, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestags die Einziehung von Wehrpflichtigen veranlassen kann, wenn "die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist". Damit bliebe ihm ein Spielraum bei der Einschätzung, ob der Personalbedarf gedeckt werden kann oder nicht.
Im Willy-Brandt-Haus ist man irritiert über das Vorgehen des Koalitionspartners. Denn schließlich seien Änderungen an dem Gesetzentwurf auch noch nach der ersten Lesung im Bundestag möglich. Laut Bild heiße es aus Unionskreisen, man habe den Tagesordnungspunkt geschoben, "weil der Gesetzentwurf angesichts der aktuellen Bedrohungslage noch nicht weit genug geht" – was sich auf die nicht identifizierten Drohnenflüge bezieht, die jüngst aus verschiedenen europäischen Ländern gemeldet wurden, darunter Deutschland. Angesichts dessen dürfe es bei der Wehrpflicht jetzt "keine halbgaren Lösungen geben", heißt es aus Unionskreisen.
Am Mittwoch hatte sich Außenminister Johann Wadephul erneut dafür ausgesprochen, die ausgesetzte Wehrpflicht wieder zu aktivieren. "Ich bin für die sofortige Wehrpflicht", sagte der CDU-Politiker gegenüber der Funke Mediengruppe. Aber das müsse in der Koalition miteinander besprochen werden, so Wadephul.
Er hatte bereits im August einen sogenannten Leitungsvorbehalt gegen den Gesetzentwurf von Pistorius eingelegt. Wadephul forderte, dass konkrete Zielmarken für die Zahl aktiver Soldaten und Reservisten definiert und auch die Zeitpunkte festgelegt werden, an denen die Zahlen erreicht werden sollen. Auf Betreiben von Friedrich Merz zog er seinen Vorbehalt wieder zurück. Der Bundeskanzler hatte durchscheinen lassen, dass er die Bedenken des Verteidigungsministers teilt, dass die Bundeswehr nicht über genügend Kapazitäten für die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht verfüge. So gebe es nicht ausreichend Ausbilder und Kasernen.
Laut den auf dem NATO-Gipfel im Juni beschlossenen Fähigkeitszielen muss Deutschland bis zum Jahr 2029 eine Gesamtstärke von 260.000 aktiven Soldaten sowie 200.000 Reservisten erreichen. Derzeit hat die Bundeswehr etwa 183.000 aktive Soldaten, wobei die Zielmarke für dieses Jahr bei 203.000 Soldaten liegt. Die Zahl der Reservisten liegt derzeit bei rund 51.000.
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