Der Sieg über Nazi-Deutschland und allgemein über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg brachte in der Sowjetunion und dem Nachfolgestaat Russland eine bemerkenswerte und reichhaltige Kultur zutage: Filme, Literatur, Musik und Liedgut. Es ist üblich, den Jahrestagen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Nazismus mit zahlreichen Kulturdarbietungen zu gedenken. Nicht anders war es auch am Samstag in Berlin-Adlershof, als sich Russen und Deutsche, die angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht gleichgültig bleiben, zu einer gemeinsamen Gedenk- und Kulturveranstaltung im Theater Ost versammelten.
Den feierlichen Anlass für das Treffen mit dem ganztätigen Kulturprogramm lieferte der 80. Jahrestag der Siegesparade der Alliierten am 7. September 1945 – ein Datum, das im bundesdeutschen Kalender kaum existiert. Im Theater Ost wurden seltene Aufnahmen der in Vergessenheit geratenen Parade gezeigt. Ein Vertreter der russischen Botschaft, Alexei Isatschenko, begrüßte die Gäste, bedankte sich bei den Veranstaltern für die Wahrung der historischen Wahrheit und erinnerte in seiner Rede zur Eröffnung der Veranstaltung an die Heldentaten des sowjetischen Volkes.
Er sagte, dass das multinationale sowjetische Volk die Schlüsselrolle bei der Zerschlagung des Nazismus gespielt und dafür einen hohen Preis gezahlt habe. "In unserem Land unterscheiden wir aber weder die Heldentaten der sowjetischen Soldaten noch die für den Sieg erbrachten Opfer nach nationaler Zugehörigkeit, und haben dies auch niemals getan", betonte er. Der Sieg sei "unser gemeinsames Erbe und die Opfer des Krieges sind unser gemeinsames Leid."
Der Diplomat unterstrich, dass Russland dem Prozess der historischen Versöhnung zwischen dem russischen und dem deutschen Volk treu geblieben sei und jegliche Versuche, die Geschichte, die Ursachen und die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs unter dem Einfluss der aktuellen politischen Ereignisse zu verfälschen, entschieden zurückweise. Er äußerte die Hoffnung, dass die historische Gerechtigkeit wiederhergestellt, die Vernunft siegen und die russisch-deutschen Beziehungen schließlich wieder auf den Weg der Normalisierung und der guten Nachbarschaft zurückkehren werden. "Wir sind überzeugt, dass dies den Interessen Russlands, Deutschlands und des gesamten europäischen Kontinents entspricht", so Isatschenko.
Im Foyer des Theaters wurde mit Unterstützung der russischen Botschaft in Deutschland eine Ausstellung zum Tag der Erinnerung und Trauer organisiert. Diese sei tragischen Ereignissen des Großen Vaterländischen Krieges und dem Völkermord an den sowjetischen Völkern gewidmet, so die Botschaft in einer Mitteilung. Das vielfältige Kulturprogramm auf der Bühne des Theaters brachte viele deutsch- und russischsprachige Gäste und Darsteller zusammen. Sänger, Tänzer, Dichter und andere Künstler waren aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands gekommen.
Das Alter der Künstler reichte dabei von einer einstelligen Zahl bei den Kleinsten bis zum fortgeschrittenen Seniorenalter bei einigen Amateur-Chören. Als Rotarmisten gekleidete Kinder sangen dabei ein Dankeslied, adressiert an ihre "Urgroßväter", die es mit ihrem Kampf gegen Nazi-Deutschland ermöglicht haben, dass sie heute leben und lachen. Dieser Auftritt wurden vom Publikum besonders emotional aufgenommen. Informationsfolien im Hintergrund veranschaulichten, dass es Hitler-Deutschland mit der physischen Vernichtung des Sowjetvolkes ernst meinte und wie im Generalplan Ost geplant fast 27 Millionen Sowjetbürger durch Bomben, Gewehrkugeln und Hunger tötete.
Mit der Veranstaltung im Theater Ost wurde ein Zeichen gesetzt, dass die Erinnerung an dieses immense Opfer dem derzeit herrschenden feindseligen Zeitgeist und sonstigen politisch widrigen Umständen zu trotzen vermag und niemals versiegen wird.
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