Auch wenn sich die Bundesregierung nach wie vor gegen Sanktionen gegen Israel stellt, ist eine Mehrheit der Bundesbürger dafür. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Verian im Auftrag des Spiegel.
63 Prozent der Befragten sind demnach dafür, Israel zu sanktionieren, und nur 29 Prozent dagegen. Dabei ist der Anteil der Gegner unter den AfD-Wählern noch am höchsten ‒ hier sprechen sich 49 Prozent dafür, aber 51 Prozent dagegen aus. Bei den Wählern von CDU, SPD (jeweils 68 Prozent) und der Linken (67 Prozent) befürworten knapp über zwei Drittel Sanktionen. Bei den Anhängern der Grünen sprechen sich sogar 94 Prozent für Sanktionen aus.
Die Bundesregierung hatte zuletzt argumentiert, Sanktionen würden das israelische Vorgehen im Gazastreifen, das von vielen als Genozid eingestuft wird, nicht beeinflussen. Allzu viele Verbündete hat die Bundesregierung mit dieser Position in der EU nicht mehr ‒ Frankreich beispielsweise will in den nächsten Tagen Palästina als Staat anerkennen, und Spanien und Irland fordern schon lange härtere Maßnahmen wegen des Krieges in Gaza.
Die EU-Kommission hat nun die Mittel für europäisch finanzierte Projekte gesperrt und will die Vorteile, die Israel aus dem Assoziierungsabkommen mit der EU zieht, einschränken. Gleichzeitig startet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen weiteren Anlauf, außenpolitische Entscheidungen der EU künftig mit Mehrheit statt, wie bisher, einstimmig beschließen zu können ‒ ein Schritt, der vor allem die Durchsetzung etwa von Sanktionen gegen Russland vereinfachen würde, bei denen es oft zu Einwänden der Slowakei und Ungarns kommt.
Der Beschluss der Kommission braucht nur die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit im Europäischen Rat. Das bedeutet, der Vorschlag ist angenommen, wenn 15 der 27 Mitgliedsstaaten dafür stimmen, sofern sie zusammen für mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU stehen.
Die Bundesregierung hat bisher einen Stopp für Waffenexporte nach Israel beschlossen, aber nur bezogen auf Waffen, die im Gazastreifen eingesetzt werden (also nicht für U-Boote, die für Israel gebaut werden). Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels und liefert ein Drittel der importierten Rüstungsgüter.
Das Ergebnis dieser aktuellen Umfrage stimmt mit früheren Umfragen überein. Schon eine Forsa-Umfrage im Juli hatte ergeben, dass 74 Prozent der Deutschen angesichts der verheerenden humanitären Lage im Gazastreifen mehr Druck auf Israel wünschen. Die Bundesregierung hat sich jedoch bisher von diesen Mehrheiten in Umfragen nicht in ihrem Kurs beeinflussen lassen.
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