Juraprofessor: Verhaftung des Pianisten Arne Schmitt ist Verhöhnung des Rechtsstaats

Sieht so die juristische Corona-Aufarbeitung in Deutschland aus? Der Musiker Arne Schmitt hatte auf coronakritischen Demonstrationen Klavierkonzerte gegeben. Er steht nun wegen angeblichen Landfriedensbruchs vor Gericht. Am zwölften Prozesstag wurde er nun in Untersuchungshaft genommen.

Bis zum Frühjahr 2020 war Arne Schmitt ein Künstler, der mit seinen Klavierkonzerten im öffentlichen Raum Menschen weltweit begeisterte. Im Rahmen seines "Piano Across the World"-Projekts reiste er bis nach China. Ein anderes Mal musizierte er auf seinem rollenden Flügel während einer Brückenüberquerung zwischen Polen und der Slowakei.

Nachdem ihm das Reisen um die Welt während der Coronazeit verboten war, entschloss sich der Musiker, die maßnahmenkritische Bewegung mit seiner Musik zu unterstützen. Ab dem Jahr 2020 war er mit seinem Piano quer durch die Republik unterwegs und spielte auf Protestaktionen der Coronakritiker. Oftmals fuhr er mit seinem Klavier auf Rädern bei den Demonstrationen mit.

Auf einer Kundgebung im Berliner Regierungsviertel am 21. April 2021 wurde ihm schließlich von der Polizei schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen und sein Flügel beschlagnahmt. Bei der Gerichtsverhandlung, die nun vier Jahre später vor dem Landgericht in Berlin-Moabit stattfindet, verzichtet Schmitt auf einen Rechtsbeistand und verteidigt sich selbst. Am vergangenen Mittwoch, dem zwölften Prozesstag, wurde der Musiker mitten im Prozess in Untersuchungshaft genommen.

Wie Report24 am Freitag berichtete, werde Schmitt vorgeworfen, er habe einen Schöffen und einen Justizwächter angegriffen. Tatsächlich kann man in einem auf dem X-Account des Journalisten Boris Reitschuster veröffentlichten Video sehen, wie der Musiker einem seiner mutmaßlichen Schöffen auf einem Bürgersteig hinterherläuft. Sein Anliegen bestehe darin, dass er die Namen der beisitzenden Schöffen in seinem Gerichtsverfahren von dem Mann bekommen möchte, schreibt Report21. Bislang seien ihm die Namen der Beisitzer trotz mehrfacher Anfragen an das Gericht verweigert worden.

Kurz darauf versuchten Journalisten der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand (DW), von der Staatsanwaltschaft Angaben zu den Haftursachen zu erhalten. Im DW wurde die Antwort der Behörde wie folgt wieder gegeben:

"Im Rahmen des Berufungsverfahrens erfolgte heute die Verhaftung aufgrund eines Untersuchungshaftbefehls, der durch das Amtsgericht Tiergarten auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen wurde. Dem liegt der dringende Tatverdacht des Angriffs auf einen Schöffen und einen Justizwachtmeister zugrunde. Als Haftgründe sind Flucht- und Verdunkelungsgefahr angeführt. Der Haftbefehl erging also in einem neu eingeleiteten, separaten Ermittlungsverfahren und nicht in dem Verfahren, das gerade verhandelt wird."

Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft habe sich auch zur Dauer der Untersuchungshaft geäußert. Ihm zufolge hänge diese "von vielen verschiedenen Faktoren" ab, und sei daher "nicht prognostizierbar". Zur Verhaftung äußerte sich auch der Juraprofessor Martin Schwab von der Universität Bielefeld am Freitag auf seinem Telegram-Kanal. Er sei fassungslos und ratlos ob dieser Stellungnahme zur Inhaftierung des Musikers.

Zum einen gebe es keinen Straftatbestand "Angriff auf einen Schöffen/einen Justizwächter" sondern allenfalls einen Straftatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB). Wobei selbst die Staatsanwaltschaft in ihrer Antwort nicht behaupten würde, dass es im Fall von Arne Schmitt überhaupt zu einer Körperverletzung gekommen sei. Der Juraprofessor hätte von der Staatsanwaltschaft zumindest erwartet, dass sie den Straftatbestand, dessen Erfüllung sie Schmitt vorwirft, präzise benennt.

Schwab kommentiert die für ihn fragwürdige Darstellung der Haftgründe: Nach Paragraph 112 Absatz 2 Strafprozessordnung dürfe Untersuchungshaft nur bei Fluchtgefahr oder bei Verdunkelungsgefahr angeordnet werden. Im Falle von Arne Schmitt läge aber eindeutig keine Fluchtgefahr vor. Der Musiker stelle sich seit Wochen dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs. Eine Verdunkelungsgefahr bestehe insofern nicht, als Filmaufnahmen von dem angeblichen Angriff existierten. Der Juraprofessor fasst zusammen:

"Was die Staatsanwaltschaft hier als Antwort auf die Presseanfrage der Zeitung 'Demokratischer Widerstand' abliefert, ist eine Verhöhnung des Rechtsstaats. Will sie ihre Gedankengänge bei der Rechtsanwendung bloß nicht transparent machen, oder weiß sie gar, dass es für den Haftbefehl in Wirklichkeit keinerlei Rechtfertigung gibt?"

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