In der deutschen Gesellschaft hat die soziale Mobilität abgenommen, wie aus einer Studie des in München ansässigen Ifo-Instituts hervorgeht. Personen der Geburtsjahrgänge seit 1980 haben demnach deutlich geringere Aufstiegschancen als frühere Jahrgänge.
Verantwortlich machen die Forscher dafür, dass die Chance des sozialen Aufstiegs vom Einkommen der Eltern abhängt. Der Befund geht einher mit der Feststellung, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland in den Jahren ab 1990 stark angestiegen ist. Die wachsende Ungleichheit in Verbindung mit dem Rückgang der sozialen Mobilität sei eine für die Gesellschaft gefährliche Mischung, stellt der Leiter des Ifo-Fachbereichs für Makroökonomik und Befragung Andreas Peichl fest.
"Die Kombination einer steigenden Ungleichheit und sinkenden Mobilität stellt eine toxische Mischung für die Chancengerechtigkeit in Deutschland dar", sagte Peichl.
Die Zunahme der Einkommensungleichheit ab den 90er-Jahren gibt jenen Recht, die vertreten, das System der Bundesrepublik habe die DDR als Gegenentwurf gebraucht, um dem Kapitalismus einen sozialen Anstrich zu geben. Die DDR bestand bis 1990, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Einkommensunterschiede in der Bundesrepublik plötzlich rasant anwachsen.
Noch gravierend ungleicher als die Einkommensverteilung ist allerdings die Vermögensverteilung in Deutschland ausgeprägt. Während der Gini-Koeffizient für die Einkommensverteilung in Deutschland im Jahr mit dem Wert 0,311 angegeben wird, liegt er im gleichen Jahr bezüglich der Vermögensverteilung bei 0,724. Der Wert 0 steht dabei für eine vollständig gleichmäßige Verteilung, der Wert 1 bedeutet maximale Ungleichheit. Deutschland zählt damit unter den Industrieländern zu denjenigen Staaten mit einer extrem ungleichen Vermögensverteilung.
In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2023 wird nachgewiesen, dass eine gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes der Demokratie dient. Ist das Wohlstandsgefälle zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen groß, geht der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt verloren. Sie können einander in ihren Belangen nicht mehr verstehen und daher keine gemeinsamen Ziele formulieren. Damit lassen sich die zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen in Deutschland und die Fragmentierung der deutschen Gesellschaft zumindest in Teilen erklären.
Die Erkenntnisse der Studie des Ifo-Instituts sind ein klarer Hinweis darauf, dass sich das Aufstiegsversprechen in Deutschland nicht mehr erfüllt. Wer fleißig ist und arbeitet, steigt nicht automatisch gesellschaftlich auf. Für die deutsche Politik ist die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit ein Armutszeugnis. Sie schafft es seit nunmehr über dreißig Jahren nicht, die Gesellschaft zu harmonisieren und die Interessen auszugleichen. Mit dem Scheitern des Aufstiegsversprechens scheitert nämlich gleichzeitig das Versprechen der Demokratie.
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