Der ehemalige Diplomat und frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger warnt in einem Interview mit Deutschlandfunk vor einem direkten Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Wladimir Selenskij, dessen offizielle Amtszeit bereits im Mai 2024 abgelaufen ist. Die zentrale These Ischingers ist, Putin wolle keinen Frieden. Russland verstehe nur die Sprache der Macht.
"Es gibt kein einziges Indiz dafür, dass Präsident Putin bereit ist, diesen Krieg zu beenden. Warum sollte er auch, solange der Druck auf ihn, auf die russische Armee und die russische Wirtschaft nicht noch stärker wird", glaubt Ischinger.
Dementsprechend fordert Ischinger neue Sanktionen. Zudem soll die Ukraine massiv aufgerüstet und die Zusammenarbeit im Rüstungsbereich ausgebaut werden.
Ischinger empfiehlt, den Aufbau von Produktionskapazitäten zur Waffenproduktion als gemeinsames Projekt der westlichen Unterstützerländer mit der Ukraine voranzutreiben. Dass diese Produktionsstätten Ziel russischer Angriffe werden, erwähnt Ischinger nicht. Erst in der vergangenen Woche gab der russische Sicherheitsdienst FSB bekannt, dass das russische Militär eine Anlage zerstört hat, in der in Kooperation mit einem westeuropäischen Land Langstreckenwaffen produziert wurden.
Zudem müsse das Sanktionsregime ausgeweitet werden, fordert Ischinger. Es brauche den Druck auf Russland. Zur Begründung für diese aggressive Strategie gibt Ischinger an, dass in Alaska beim Treffen von Trump und Putin keine Fortschritte in Richtung Frieden erzielt wurden. Mit dieser Meinung ist Ischinger allerdings weitgehend allein.
Die panische Umtriebigkeit westeuropäischer Staatschefs und der EU-Kommission ist darauf zurückzuführen, dass nach Alaska ein Friedensschluss möglich scheint. Westeuropa will allerdings keinen Frieden, sondern zielt weiterhin auf eine strategische Niederlage Russlands ab.
Auch von einem direkten Treffen zwischen Selenskij und Putin hält Ischinger nichts. Selenskij schien in den letzten Tagen, vor allem aber nach seinem Besuch in Washington, zu weitergehenden Zugeständnissen bereit. Ischinger argumentiert in der Umkehrung der tatsächlichen Abläufe, Putin werde nur auf Zeit spielen. Tatsächlich verschleppen die Westeuropäer und die Ukraine die Angebote, den Konflikt zu beenden. Ein Beispiel dafür ist das völkerrechtlich bindende Abkommen Minsk 2, dessen Umsetzung durch endlose Folgetreffen im "Normandie-Format" immer weiter verzögert und schließlich ganz aufgegeben wurde.
Ischinger führt aus, ein direktes Treffen von Putin und Selenskij "wird natürlich nicht zum Frieden führen. Das wird von Putin benutzt werden, um Zeit zu gewinnen, um alle möglichen Einwände zu bringen". Er fordere deshalb "Fachleute", die einen Text ausarbeiten, der dann von den Staatschefs unterschrieben wird.
Dieses Verfahren wurde bisher jedoch von Westeuropa hintertrieben. Eine im Frühjahr 2022 durch russische und ukrainische Unterhändler weitgehend ausgehandelte Vereinbarung für einen Friedensschluss wurde von Westeuropa sabotiert. Zuvor haben die Westeuropäer gemeinsam mit der Regierung in Kiew das bereits erwähnte Minsker Abkommen hintertrieben, mit dem die territoriale Integrität der Ukraine sichergestellt und der Bürgerkrieg im Osten des Landes beendet werden sollte.
Tatsächlich sind es klar erkennbar Westeuropa und damit auch die deutsche Politik, die bisher Verhandlungslösungen und völkerrechtlich bindende Vereinbarungen durchkreuzt haben. Bisherige Initiativen zur Regulierung des Konflikts kamen aus allen Teilen der Welt, allen voran aus Russland. Deutschland lehnt dagegen eine Verhandlungslösung ab oder sabotiert sie und setzt, wie Ischinger im Interview ebenfalls fordert, auf weitere Eskalation.
Ischinger bleibt damit insgesamt innerhalb des Narrativs der westlichen und deutschen Propaganda, auch wenn er eine Präsenz von Bundeswehrsoldaten ablehnt. Immerhin erkennt er, dass Russland einer Stationierung von NATO-Soldaten auf dem Gebiet der Ukraine niemals zustimmen wird. Die Absicht, die Ukraine in die NATO aufnehmen zu wollen, ist zentraler Auslöser des Konflikts. Russland sieht in einer NATO-Präsenz in der Ukraine eine Verletzung seiner Sicherheitsinteressen.
Auch in diesem Interview leistet Wolfgang Ischinger erneut keinen Beitrag zur Aufklärung und zu einer möglichen Lösung des Konflikts. Seine Rolle ist seit Langem die eines aufgrund seiner beruflichen Karriere vermeintlich kompetenten Stichwortgebers, der allerdings lediglich die herrschende Politik legitimiert. Tatsächliche Impulse und ernst zu nehmende Beiträge zur Lösung von Konflikten bringt Ischinger nicht.
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