Wahlprüfungsbeschwerde: WerteUnion klagt gegen Thüringer Landtagswahl 2024

Nach Auffassung der WerteUnion wurde bei der Thüringer Landtagswahl 2024 das staatliche Neutralitätsgebot verletzt. Dieser Wahlfehler könnte die Sitzverteilung beeinflusst haben. Die Partei reicht beim Verfassungsgericht eine Wahlprüfungsbeschwerde ein.

Von Felicitas Rabe

Am Montagmorgen reichte der Landeskandidat der WerteUnion Thüringen, Alf Schmidt, beim Thüringer Verfassungsgerichtshof eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Landtagswahl im Jahr 2024 ein. Seinem Antrag schlossen sich rund 100 Wahlberechtigte an, die ebenfalls eine gerichtliche Prüfung der Thüringer Wahl fordern. 

Wie der Landesverband der WerteUnion Thüringen in einer Pressemitteilung bereits am vergangenen Mittwoch mitteilte, rügt die Klage eine unzulässige amtliche Einwirkung auf den Thüringer Landtagswahlkampf. Mehrere Thüringer Landräte und Oberbürgermeister hätten entgegen dem Neutralitätsgebot als Amtsträger in unzulässiger Weise auf den Wahlkampf eingewirkt, so der Vorwurf.

Die Thüringer WerteUnion beauftragte den Rechtsanwalt und Verfassungsrechtler Ralf Ludwig mit ihrer juristischen Vertretung. In einem Telefonat mit der Autorin fasste Rechtsanwalt Ludwig den Fall am Montagnachmittag für RT DE zusammen. In einer koordinierten Stellungnahme hätten die Landräte und Oberbürgermeister sinngemäß verbreitet: "Wenn ihr AfD oder BSW wählt, dann gehen hier bei uns in den Kommunen die Lichter aus." Ludwig erklärte auch die Brisanz dieser Amtsträgerhandlungen in einem Wahlkampf:

"Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik vor einer Wahl noch nie zuvor gegeben, dass so viele Amtsträger in ihrer Funktion in einer konzertierten Aktion demokratiefeindlich gehandelt haben."

In der Presseerklärung der Thüringer WerteUnion hieß es diesbezüglich, die Amtsträger hätten in einer koordinierten Stellungnahme vom 22. August 2024 und mittels einer Wiederverwertung dieser Stellungnahme in einer CDU-Werbebeilage vom 31. August 2024 ihre Neutralitätspflicht verletzt. In der Begründung hieß es:  

"Wie vom Thüringer Landtag bereits bestätigt, verletzte dieses Vorgehen das Neutralitätsgebot staatlicher Stellen, die Chancengleichheit der Parteien und damit Grundsätze der freien und gleichen Wahl. Aus demokratischer Sicht ist der Vorgang besonders schwerwiegend, weil der Staat damit nicht Schiedsrichter, sondern faktisch Akteur im Wettbewerb wurde." Der Landesvorsitzende der WerteUnion Thüringen, Hans Pistner, teilte dazu mit: "Das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Wahlprozesses wird so nachhaltig beschädigt."

Schließlich könne nach der sogenannten Möglichkeitstheorie nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Wahlfehler die Sitzverteilung beeinflusst habe. Die vorliegenden Zahlen würden sogar dafür sprechen. In der Schlussphase des Wahlkampfes habe es schließlich nachweisbare Stimmenverschiebungen gegeben. Ein Transfer von ungefähr 16.000 Stimmen von der FDP zur CDU sei dokumentiert. Dazu habe die FDP am Ende weitere Stimmen an AfD (circa 8.000) und BSW (etwa 6.000) verloren. Nachweisbar seien die Freien Demokraten innerhalb von zehn Tagen von stabilen Umfragewerten um die 3 Prozent auf am Ende 1,1 Prozent zurückgefallen.  

Diese Größenordnungen der Stimmverschiebungen lägen "im Bereich der amtlich modellierten Umspringpunkte". Und zwar insofern, als das BSW bereits durch rund 4.651 zusätzliche Stimmen einen weiteren Sitz im Thüringer Landtag bekommen hätte. Der AfD hätte mit rund 11.738 bis 15.528 zusätzlichen Stimmen ein weiterer Sitz zugestanden. Bei den Erststimmenentscheidungen hätten teilweise sogar weniger als 500 Stimmen über ein Direktmandat entschieden. 

Ein durch amtliche Kommunikation ausgelöster Agenda- und Autoritätseffekt sowie die parteiliche Verwertung der Stellungnahme seitens der Amtsträger seien angesichts dieser Zahlen real geeignet gewesen, Mandate zu verschieben oder zu sichern. Mit anderen Worten: Das Verhalten der Bürgermeister und der Landräte könnte für die Sitzverteilung entscheidend sein. Die Wahlprüfungsbeschwerde begründe sich somit wie folgt:

Die Rechtsgüter "Schutz der Wahlrechtsgleichheit" und "Chancengleichheit" könnten im Falle der Thüringer Landtagswahl im Jahr 2024 verletzt worden sein. Der Verfassungsgerichtshof werde daher um Feststellung des Wahlfehlers und um die erforderlichen Konsequenzen ersucht.

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