Im toten Winkel der Nachrichten: Mainstream berichtet nicht mehr über die Ukraine-Front

Die Medien des deutschen Mainstreams berichten kaum noch über die Ereignisse an der Frontlinie. Das hat einen Grund: Dort zeigt sich das Elend des Krieges und es zeigt sich, wie prekär die Situation ist. Auch Proteste gegen Zwangsmobilisierungen werden verschwiegen. Sie sind Zeichen der Agonie.

Von Gert Ewen Ungar

Die Berichterstattung im deutschen Mainstream zum Ukraine-Konflikt hat sich in den letzten Wochen und Monaten allmählich verändert. In den Live-Tickern ist das Geschehen an der Frontlinie in den Hintergrund getreten. Dadurch entsteht für den deutschen Medienkonsumenten zwangsläufig der Eindruck, es sei dort weitgehend ruhig und der Frontverlauf stabil. Wäre es anders, würden die Medien doch berichten, oder? 

Dieser Eindruck ist falsch. Propaganda ist nicht nur die extensive Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen, das bewusste Erzeugen von Hass durch Gräuelpropaganda, durch Entmenschlichung und Hetze. Ein wichtiges Mittel ist die Auslassung.

In Bezug auf die Ereignisse an der Front im Donbass bedient sich der deutsche Mainstream dieses Mittels. In der Russlandberichterstattung ist der Werkzeugkasten der deutschen Propagandisten dagegen weiter geöffnet. Als verlängerter Arm der Politik beteiligen sich die etablierten deutschen Medien am Feindbildaufbau, so wie sie sich während der Corona-Zeit an der Diskriminierung von Maßnahmenkritikern beteiligt und für ein repressives Klima in Deutschland gesorgt hatten. 

Das Schweigen der deutschen Medien zu den Ereignissen an der Front steht in krassem Gegensatz zu den lautstarken Verurteilungen Russlands nach Angriffen auf militärische Infrastruktur in Kiew und anderen ukrainischen Städten. Kommen dort nach Angriffen mit hunderten Raketen und Drohnen einige Zivilisten zu Schaden, werden Russland Vernichtungsabsichten unterstellt.

Dabei findet das große Sterben eben nicht in den Städten und unter Zivilisten, sondern an der Front statt. Dort sterben nach offiziellen russischen Angaben täglich weit über eintausend ukrainische Soldaten. Manchmal rund 1.600, manchmal etwa 1.800, manchmal sind es "nur" 1.200.  In einer Woche wird die Einwohnerzahl einer Kleinstadt ausgelöscht, in hundert Tagen die einer Großstadt. Darüber breiten die deutschen Medien den Mantel des Schweigens.

Dabei ist diese Nachricht wichtig, denn aus diesen Zahlen ließe sich erahnen: Die Ukraine verliert den Krieg. Sie blutet förmlich aus. An der Front findet das große Sterben statt, nicht in Kiew und nicht in Odessa. Das aber ist Tagesschau, Bild und Co. keine Erwähnung wert.

Worüber ebenfalls kaum ein Wort verloren wird, ist die Tatsache, dass Russland bedeutende Geländegewinne macht. Der Donbass wird befreit. Russland wird seine Ziele erreichen. Daran besteht kein ernsthafter Zweifel. 

Das ist auf zwei Arten möglich: durch eine Verhandlungslösung oder durch Kapitulation der Ukraine. Für eine Verhandlungslösung schließt sich das Zeitfenster, denn die Ukraine kann die enormen täglichen personellen Verluste nicht mehr ausgleichen.

Inzwischen kommt es zu offenen Angriffen gegen Rekrutierungszentren und ihre Mitarbeiter. So stürmten am Samstag die Angehörigen von Zwangsrekrutierten in der Stadt Winniza das örtliche Stadion, wohin die zwangsweise Mobilisierten verbracht worden waren. Die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor, unter ihnen viele Frauen und Kinder, und schlug den Protest nieder. Die Zwangsrekrutierten wurden unterdessen verlegt.

In Deutschland wurde über den Vorfall bisher nicht berichtet. Dies aber bekannt zu machen, wäre wichtig, denn der Vorfall ist Zeichen der Agonie der Ukraine. Eine solche Praxis lässt sich auch in einer Diktatur nicht durchhalten. Der Ukraine-Konflikt bewegt sich in Richtung Kapitulation der Ukraine, wenn nicht schnell eine Verhandlungslösung gefunden wird. 

Dass die deutschen Medien sich hinsichtlich der Entwicklung an der Front so verschlossen geben, hat den einfachen Grund, dass die prekäre Lage, in der sich die Ukraine befindet, dann klar ersichtlich wäre. Klar ersichtlich wäre dann auch, dass sich nicht in den Angriffen auf Kiew und andere ukrainische Städte das Elend des Krieges zeigt, sondern in dem täglich tausendfachen Soldaten-Sterben im Donbass.

Aus einer solchen, näher an den Fakten orientierten Berichterstattung würden sich andere Fragen ergeben. Die Ukraine braucht nicht mehr Luftabwehr, sondern den Einstieg in substanzielle Gespräche, denn ihr droht der Kollaps. Keine Armee kann dauerhaft derart hohe Verluste verkraften, ohne massiv an Kampfkraft zu verlieren. Es geht zu Ende. 

Was nach dem Ende der Kampfhandlungen von den deutschen Propaganda-Narrativen übrig bleiben wird, wird sich zeigen. Es ist aber davon auszugehen, dass es die Ukrainer sein werden, die ganz heftig der Behauptung, die Ukrainer führten ihren heldenhaften Kampf gegen Russland aus tiefer Überzeugung für Demokratie und westliche Werte, heftig und lautstark widersprechen werden.

Die Ukraine und die Ukrainer werden auf grausame Weise verheizt. Deutschland hat daran maßgeblichen Anteil. Die deutsche Berichterstattung täuscht darüber ganz bewusst hinweg. Wenn sich der Rauch über dem Schlachtfeld gelegt hat, wird man sprechen müssen – über die deutsche Täterschaft und das der Ukraine vom Westen zugefügte Leid.

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