Lediglich 27 Prozent der Bundesbürger halten es für sehr oder eher wahrscheinlich, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren militärisch angegriffen wird. Das zeigte eine repräsentative Umfrage, die das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bei dem Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegeben hat. Sie wurde am 28. und 29. Juli durchgeführt, und ihre Ergebnisse für 1.002 Befragte liegen jetzt vor. Viel wahrscheinlicher sei es laut den Befragten hingegen, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren im Rahmen seiner Beistandspflicht einem anderen NATO-Mitglied militärisch zu Hilfe kommen müsse, weil dieses angegriffen worde sei. Daran glauben 59 Prozent.
Ein Blick in die Medien zeigt, dass mit dem potenziellen Eintritt des Bündnisfalls vor allem ein möglicher russischer Angriff auf die NATO-Staaten im Baltikum, Polen oder Rumänien gemeint ist. In Litauen ist die Bundeswehr deshalb damit beschäftigt, eine ständige Brigade von 5.000 Soldaten einzurichten. Laut Mitteilungen in sozialen Medien wurden im Juli bereits dutzende verschiedene Panzerfahrzeuge per Eisenbahn nach Litauen verlegt.
Offenkundig ist ferner, dass die Deutschen an der Verteidigungsfähigkeit ihres Landes gewisse Zweifel hegen. So halten 41 Prozent der von Forsa im Auftrag des RND befragten Frauen und Männer die Bundeswehr eher für eine der schlechter ausgerüsteten NATO-Armeen. Etwa die Hälfte der Befragten, nämlich 46 Prozent, sieht sie im Mittelfeld. Wenig überraschend dürfte deshalb der mit 67 Prozent hohe Anteil derer sein, die eine Verdopplung der Ausgaben für die Bundeswehr und die Verteidigung bis zum Jahr 2032 für prinzipiell richtig halten. 30 Prozent finden das hingegen falsch.
Somit zeigt sich, dass ein harter Kern von mindestens einem Drittel der Bürger, die die Militarisierung und antirussische Außenpolitik Deutschlands ablehnen, nach wie vor intakt ist. Das zeigte sich bereits in verschiedenen Umfragen über die Jahre hinweg. Die Anhänger von CDU und CSU stehen mit 92 Prozent nahezu geschlossen hinter der geplanten Verdoppelung. 75 Prozent der SPD- und 76 Prozent der Grünen-Anhänger sehen das genauso. Unter den Anhängern der Linken sind dagegen 59 Prozent gegen diesen Anstieg des Militäretats, unter den AfD-Anhängern sind es 52 Prozent. Das letzte Ergebnis kollidiert mit der Position der Parteichefin Alice Weidel, die eine Erhöhung der Militärausgaben bis auf 5 Prozent des BIP ausdrücklich bejaht.
Überwiegend ablehnend reagieren die Menschen auf das Ansinnen, Deutschland im Falle eines Angriffs auch selbst mit der Waffe zu verteidigen: 59 Prozent wären dazu "wahrscheinlich nicht" oder "auf keinen Fall" bereit. Möglicherweise sind es diejenigen, die ohnehin nicht an einen Angriff auf ihr Land glauben, denn wie oben erwähnt sehen nur 27 Prozent Deutschland unmittelbar in Gefahr. Dabei ist die Ablehnung unter Frauen mit 72 Prozent deutlich größer als unter Männern mit 46 Prozent.
In einigem Widerspruch zu dieser Einstellung steht das mehrheitliche Wohlwollen der Bevölkerung gegenüber der Wehrpflicht. 60 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, wieder einen verpflichtenden Wehrdienst einzuführen, wenn es nicht gelingen sollte, in den nächsten Jahren genug junge Menschen auf freiwilliger Basis zu gewinnen. Viele Menschen sehen in der Wehrpflicht allerdings eher eine "Schule des Lebens" und das Einüben von mehr Selbstdisziplin in einer verweichlichten Gesellschaft.
Im internationalen Vergleich sei die persönliche Verteidigungsbereitschaft der Deutschen ebenfalls eher unterentwickelt, merkt das RND ferner an. Laut Forsa-Umfrage lag die Bereitschaft hierzulande bei 16 Prozent. Einer internationalen Gallup-Umfrage aus dem vergangenen Jahr zufolge sind indessen 41 Prozent der US-Amerikaner kampfbereit, 34 Prozent der Kanadier und 32 der Befragten in der Europäischen Union. Deutlich höher ist hierzulande dafür die Bereitschaft der Gesamtbevölkerung, im Falle eines militärischen Angriffs auf Deutschland an Maßnahmen zum Zivilschutz teilzunehmen. Dazu wären 55 Prozent "auf jeden Fall" und 33 Prozent "wahrscheinlich" willens.
Wollte man einen Strich unter diese Zahlen und eine entsprechende Bilanz ziehen, dann fiele diese für die Auftraggeber der Umfrage ungefähr so aus: Die Deutschen sind mehrheitlich der Ansicht, dass die Gefahr für das eigene Land, in einen Krieg verwickelt zu werden, wächst. Ebenso sind sie mehrheitlich der Meinung, dass Deutschland mehr Geld in die eigene Verteidigung stecken sollte. Wenn es um einen persönlichen Beitrag zu dieser Verteidigung geht – der bekanntlich auch darin bestehen kann, verletzt oder getötet zu werden –, sind die Bürgerinnen und Bürger indes deutlich zurückhaltender. Das RND rät der Politik, mehr dafür zu tun, um diese Kluft zu überbrücken. Denn gerade die Bereitschaft zu einem persönlichen Beitrag sei dringlicher als je zuvor.
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