Die geplante Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin droht zu scheitern, berichtet Apollo News. Nach wachsendem Widerstand in der Union kündigte Fraktionschef Jens Spahn an, die CDU/CSU werde sich bei der Abstimmung geschlossen enthalten, sollte die SPD an ihrer Kandidatin festhalten. Das berichtete Karina Mößbauer, die Chefreporterin des Politik-Ressorts bei The Pioneer, auf X. Spahn verwies demnach in der Fraktionssitzung auf Plagiatsvorwürfe.
Die SPD soll aufgefordert werden, die Wahl von Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung zu nehmen, berichtet Bild. Eine Kandidatin für das höchste Richteramt im Land müsse "über jeden Zweifel erhaben sein", sagte Spahn.
Demnach sollen heute nur zwei der drei Richterkandidaten gewählt werden: die SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold und der CDU-Kandidat Günter Spinner. Fraktionschef Jens Spahn will demnach die SPD auffordern, die Wahl ihrer eigenen Kandidatin abzusetzen.
Zuvor hatte es geheißen, Brosius-Gersdorf habe "keine Mehrheit" mehr zu erwarten. Stimmen mehr als 58 Abgeordnete gegen sie, wäre die Wahl gescheitert. Die Reaktion der SPD ließ nicht lange auf sich warten: Die SPD-Fraktionsspitze will die laufende Bundestagssitzung unterbrechen lassen. Gegen 10.30 Uhr soll eine Sondersitzung der SPD-Fraktion einberufen werden.
Laut der Jungen Freiheit würde die Wahl-Absetzung von Brosius-Gersdorf die Union aus dem Dilemma befreien, dass große Teile ihrer Fraktion dem SPD-Vorschlag nicht zustimmen wollen. Sollte Brosius-Gersdorf scheitern, könnte dies zu einer ernsthaften Koalitionskrise führen. Die Bundesregierung könnte sich mit der Absetzung in die Sommerpause retten.
Ein möglicher Plagiatsverdacht wird von dem österreichischen Plagiatsgutachter Stefan Weber erhoben. Auf seinem Blog schrieb Weber, er habe 23 dokumentierte Textparallelen zwischen Brosius-Gersdorfs Doktorarbeit und der Habilitationsschrift von Hubertus Gersdorf gefunden.
An der Personalie Brosius-Gersdorf scheiden sich seit langem die Geister, denn für viele Konservative in der Union gilt sie als zu weit "links". Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äußerte sich besorgt über die mögliche Wahl. "Dass eine Kandidatin für das Amt der Bundesverfassungsrichterin öffentlich erklärt, es gebe 'gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt', beunruhigt mich sehr", sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Und weiter: "Ich würde sie aufgrund dieser Position nicht wählen können." Auch viele andere Geistliche, darunter der einflussreiche Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki äußerten sich ähnlich.
Brosius-Gersdorf war in der vergangenen Wahlperiode stellvertretende Koordinatorin einer von der Bundesregierung eingerichteten Kommission, die eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsregelung prüfen sollte. Sie hatte unter anderem erklärt, dass es gute Gründe dafür gebe, dass die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gelte. Die Wahl der insgesamt drei neuen Richter soll am Freitag stattfinden.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hat die Union für den Umgang mit der SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Sie habe "kein Verständnis dafür, wie man mit einer solchen Debatte das höchste Gericht in Deutschland beschädigt", sagte die SPD-Politikerin im Frühstart von ntv.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner rief die Fraktionen unterdessen zu einem geordneten Verfahren auf. "Diese Erwartung habe ich, dass … der Ablauf ohne Beanstandung ist", sagte sie im "Playbook Podcast" von Politico. Zugleich mahnte sie, die Entscheidung nicht dem Bundesrat zu überlassen: "Ein Parlament muss wissen, was seine Bedeutung ist. Und wenn man ureigenste Zuständigkeiten abgibt, dann ist das keine Stärkung eines Parlaments." Kurz nach 10 Uhr kündigte sie aufgrund des Wunsches der SPD, eine Fraktionssitzung anzuberaumen, die Unterbrechung der Sitzung an. Die Wahl der Verfassungsrichter ist vom Bundestag für 11 Uhr angesetzt.
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