Eine Frau aus Coburg in Bayern wurde vom Amtsgericht Schweinfurt zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt worden, da sie laut Wahrnehmung der Richter auf einer Plakat-Collage, bei einer Demonstration im März 2024, den vormaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit erhobenem rechtem Arm zeigte. Die zuständige Staatsanwaltschaft legt nach dem Schuldspruch umgehende Berufung ein und fordert nun in der Revision die zuvor anberaumte Strafhöhe von 3.500 Euro.
Das in den sozialen Medien vielfach geteilte Bild des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) entstand auf einer v.erdi-Demonstration im Juni 2022. Lauterbach beschimpfte gezielt einen Teil der Demonstranten, seiner Einschätzung nach Ungeimpfte oder Impfgegner. Diese hätten kein Recht auf Protest und ihre Arbeit in der Coronakrise habe keinen nützlichen Beitrag geleistet (RT DE berichtete).
Zwei Jahre später verwendet eine 45-jährige Bayerin einen Screenshot aus der Lauterbach-Rede für ein Plakatmotiv auf einer Demonstration. Das Plakat wird dokumentiert, es kommt zur Anklage und der folgenden Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Schweinfurt. Das Online-Portal Apollo News berichtete von dem ersten Prozess. Zu den Hintergründen und der Verurteilung heißt es am 28. April dieses Jahres:
"Das Amtsgericht Schweinfurt hat einen Strafbefehl gegen eine Frau aus Coburg erlassen, weil sie ein Bild von Karl Lauterbach mit erhobenem rechten Arm in der Öffentlichkeit ausgestellt hatte. Die Staatsanwaltschaft vermutete dahinter den Versuch, einen Hitlergruß darzustellen, und beantragte einen Strafbefehl wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches."
Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl "über 3.500 Euro in 70 Tagessätzen", den die Beschuldigte jedoch ablehnte. Es folgte die Hauptverhandlung am 12. Mai. Die Frau beteuerte vor Gericht, mit dem Plakatbild "keineswegs einen Hitlergruß verbreiten zu wollen". Die Frau hatte es demnach in einen Kontext mit Berichten über eine "Querdenken-Kundgebung" gestellt, bei der ein Redner in erster Instanz ebenfalls einen mutmaßlichen Hitlergruß gezeigt haben soll. Ihr Verteidigungsargumentation, es handele sich lediglich um eine normale Armbewegung und um eine medienkritische Gegenüberstellung, fand final beim Richter jedoch kein Verständnis.
Am 30. Juni berichtet Apollo News dann darüber, dass die Bürgerin final "zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt" wurde, also zu einer Gesamthöhe von 1.800 Euro. Zu dieser Verhandlung heißt es:
"Zwar habe der Richter ihr zugutegehalten, dass sie mit den Menschen ins Gespräch kommen wolle. Sie habe aber nicht das Gefühl gehabt, dass der Richter ihren Ausführungen Glauben geschenkt habe. Dabei hatte die Frau bereits nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ihr Anliegen erklärt – das die Ermittlungsbehörde jedoch vollkommen ignoriert hatte."
Das beanstandete Plakatmotiv:
Das linke Bildmotiv auf dem Plakat bezieht sich auf die Verurteilung zweier Redner, ebenfalls auf einer "Querdenken-Veranstaltung". Zu diesem Fall berichtete der MDR im September 2023:
"Bei einer Demonstration der sogenannten Querdenker in Dresden sollen im Oktober 2020 ein Polizist aus Niedersachsen und ein Berufssoldat aus Nordrhein-Westfalen den Hitlergruß gezeigt haben. Der 58 Jahre alte Berufssoldat stimmte zu, eine Geldauflage von 800 Euro zu zahlen. Ursprünglich war er Ende 2021 vom Amtsgericht Dresden zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt worden und in Widerspruch gegangen. Die Schuld wiege nicht so schwer, dass es einer strafrechtlichen Verurteilung bedürfe, sagte der Vorsitzende Richter."
Das Gericht argumentierte im Prozess gegen die Bayerin:
"Das vorliegende Standbild wird in verleumderischer Weise benutzt, um dem Bundesminister eine rechtsextreme Gesinnung anzudichten."
Die Beschuldigte habe willentlich bezweckt, "dass das genannte Plakat durch die Teilnehmer der genannten Versammlung mit mehreren Hundert Teilnehmern sowie durch Passanten wahrgenommen werden konnte und nach Ihrem Willen auch wahrgenommen wurde", so die weitere Begründung im Urteil.
Am 4. Juli heißt es in einem weiteren Apollo-News-Artikel:
"Die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen die Verurteilung einer Frau, die mit einem Lauterbach-Bild einen Hitlergruß verbreitet haben soll, eingelegt. Die Strafhöhe von 1.800 Euro sei 'zu gering', so die Behörde, die zuvor 3.500 Euro gefordert hatte."
Die Behörde habe umgehend Berufung eingelegt, da ihrer Wahrnehmung nach "die Entscheidung des Amtsgerichts nicht der 'Persönlichkeit der Angeklagten' gerecht werden würde", so die Begründung in dem Antrag auf eine erneute Strafbemessung. Auf Anfrage von Apollo News bestätigte demnach die Staatsanwaltschaft, "die Berufung erfolge, da nach Ansicht des Sachbearbeiters die Strafhöhe zu gering ist".
Der Fall wird somit in die benötigte zweite Instanz vor dem Landgericht Schweinfurt gehen. Der Termin ist noch nicht bekannt.
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