"Die müssen weg" ‒ Bundeswehr-Expertin sucht Wege für Abriss sowjetischer Ehrenmale in Deutschland

Eine Bundeswehr-Wissenschaftlerin plädiert in einer Diskussion für die Entfernung sowjetischer Erinnerungsorte aus dem Stadtbild. Dies sei allerdings wegen der "deutschen Verantwortung" problematisch. In diesem Dilemma legt sie besonderes Augenmerk auf russische "Gräuel".

Voin Wladislaw Sankin

Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und die DFG-Forschergruppe "Militärische Gewaltkulturen" machten mit der Podiumsdiskussion am 12. Februar "die illegitime Gewalt und Gewaltkulturen in russischen wie sowjetischen Kriegen der Vergangenheit und Gegenwart" zum Thema. Die Videoaufzeichnung der Diskussion hat der YouTube-Kanal des Zentrums am Mittwoch veröffentlicht. Mit dieser hochkarätig besetzten Veranstaltung hat die Bundeswehr offenbar das Interesse an der Korrektur des deutschen Geschichtsbewusstseins bekundet.

In erster Linie ging es dabei um den Umgang mit dem Sowjet-Erbe im deutschen Geschichtsunterricht und Stadtbild. So kam während der Podiumsdiskussion die wissenschaftliche Angestellte bei der Bundeswehr Dr. Kristiane Janeke mehrmals als Expertin für die russische Erinnerungskultur zu Wort. Sie äußerte Verständnis für den Impuls, dass man die sowjetischen Ehrenmale in Berlin loswerden wolle, weil sie für angebliche Propagandaaktionen im Ukraine-Krieg benutzt würden.

Die Tatsache, dass "russische Akteure" diese Orte für die Rechtfertigung des "russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine" missbrauchen, ist aus ihrer Sicht inakzeptabel. Als solche Erinnerungsorte nannte sie die Ehrenmale in den Berliner Stadtteilen Tiergarten, Schönholz und Treptow als Beispiele. Die Expertin sagte mit Nachdruck, was für sie in der Diskussion wichtig sei:

"Der Impuls ist erst mal nachvollziehbar: Die müssen weg. Aber das ist nicht so einfach." 

Damit hat sie sich mit den Forderungen aus den Reihen einiger Lokalpolitiker oder Propagandisten der Boulevard-Zeitung Bild solidarisiert. Die Ehrenmale loszuwerden sei aber nicht so einfach. Schon wegen des Zwei-plus-Vier-Vertrags ginge es nicht und weil es sich um Soldatenfriedhöfe handele. Auch die deutsche Verantwortung für das Unternehmen Barbarossa wird von Dr. Janeke als Hemmnis für einen Abriss genannt.

Die deutschen Exzesse im Zweiten Weltkrieg seien nicht minder grausam gewesen als die (gemeint sind wohl: russischen) Exzesse im Ukraine-Krieg. Und der Umgang damit im kulturellen Gedächtnis sei eine Herausforderung und ein Problem. In den Mund gelegt hatte ihr diese Haltung schon die Moderatorin Dr. Christin Pschichholz von der Universität Potsdam, als sie in ihrer Anmoderation einen deutschen Reflex bezüglich Waffenlieferungen an die Ukraine beklagte: "Das können wir nicht machen, aus der Verantwortung heraus des Zweiten Weltkriegs." 

Kristiane Janeke betrachtete die Situation ähnlich. Die Grausamkeit deutscher Kriegsführung im Osten nannte sie für die Auseinandersetzung um das deutsche kulturelle Gedächtnis "eine Herausforderung und natürlich auch ein Problem". 

Die Erfahrungen Polens und der baltischen Länder zeigen, dass man sowjetische Denkmäler ohne moralisches Wenn und Aber abreißen kann, wenn der politische Wille vorliegt. Im Zuge der nach Februar 2022 herbeigeführten Öffnung gegenüber den "pluralistischen Erinnerungskulturen" und "Gewalterfahrungen im europäischen Kontext" im deutschen Museumswesen teilten Historiker aus Lettland und Estland ihre Erfahrungen beim Kampf gegen das sowjetische Erbe mit ihren deutschen Kollegen. Diesen legten sie nahe, das Gleiche zu tun ‒ RT DE berichtete.

In den einzelnen Städten Deutschlands tobt mitunter ein regelrechter Kulturkampf um die sowjetischen Erinnerungsstätten. So wurden nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine 2022 die Forderungen laut, das sowjetische Ehrenmal in Dresden am Olbrichtplatz abzureißen. Nach einer langen Debatte wurde entschieden: Das sanierungsbedürftige Ehrenmal bleibt stehen. Was aber stattfindet, ist, mit üppigen staatlichen Geldern geförderte ideologische Umwertung der Aussagen des Ehrenmals. Dazu teilte das Kunsthaus Dresden noch 2023 mit (zitiert gemäß der Zeitung Junge Welt):

"Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist in vielen Ländern die Debatte um sowjetische Denkmäler entbrannt – und auch in Deutschland gab es Forderungen zum Abriss sowjetischer Ehrenmale, so auch […] in Dresden. […] Ebenso wie die militaristische Formensprache wirft auch die Einordnung des Denkmals wie auch des 8. Mai als Tag der Befreiung Fragen auf, die für eine zukünftige Kontextualisierung von Bedeutung sind – nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer pluralistischen Erinnerungskultur in Europa und einem differenzierten Erinnern der Gewaltgeschichte Ostmittel- und Osteuropas im 20. Jahrhundert."

Dieses ausführlich wiedergegebene Zitat beinhaltet das ganze Instrumentarium der neuen geschichtsrevisionistischen Technik mit ihrem wichtigsten Bestandteil, "differenziertem Erinnern" in Ostmitteleuropa. Nun sieht sich auch die Bundeswehr dazu berufen, das "Problem" mit dem sowjetisch geprägten Erbe des Gedenkens zu lösen. Mit dem Begriff "russisch-sowjetische illegitime Gewalt" wird von bundeswehrnahen Historikern ein Fundament gelegt, das künftig ermöglichen würde, die deutschen Verbrechen im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion durch angebliche "russische Verbrechen" moralisch auszugleichen. Letztere werden mitunter als neue Messlatte für Gräuel festgelegt. 

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