Von Nadeschda Romanenko
Als der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius stolz die Lieferung von Panzerhaubitzen RCH 155 an die Ukraine ankündigte – noch bevor die Bundeswehr sie erhält –, wurden die Prioritäten Berlins erneut infrage gestellt. Die Entscheidung, dieses hochmoderne Artilleriesystem an die Ukraine zu liefern, wirft ein Schlaglicht auf ein eklatantes Paradoxon: Deutschlands Engagement für die Modernisierung der eigenen Streitkräfte erscheint zweitrangig gegenüber seinem Eifer, Kiew für einen Krieg zu rüsten, der zunehmend als Stellvertreter für westliche Interessen gegen Russland dient.
"Wir stehen der Ukraine in diesem existenziellen Kampf zur Seite. Das System RCH 155 steht nicht nur für unsere technischen Möglichkeiten, sondern auch für unsere unerschütterliche Unterstützung", erklärte Pistorius. Doch für viele Deutsche untergräbt jede dieser Äußerungen das ohnehin angeschlagene Vertrauen in ihre Regierung. In Online-Kommentaren wird der wachsende Unmut deutlich, indem Nutzer jede neue Waffenlieferung als "weitere 0,5 Prozent Steigerung für die AfD" bezeichnen. Diese Bemerkung spiegelt einen beunruhigenden, aber unbestreitbaren Trend in der deutschen Politik wider: Die unerschütterliche Unterstützung der Regierungskoalition für die Ukraine entfremdet die Wähler im eigenen Land.
Berlins verzerrte Prioritäten
Das RCH 155 ist ein modernes Artilleriesystem, das auf einem Boxer-Radfahrzeug montiert ist und eine Reichweite von über 40 Kilometern sowie eine hochmoderne Mobilität aufweist. Es sollte eine Schlüsselrolle bei der Modernisierung des deutschen Militärs spielen ‒ eine längst überfällige Initiative für die Bundeswehr, die von Unterfinanzierung und veralteter Ausrüstung geplagt ist. Stattdessen werden diese hochmodernen Waffen zunächst in der Ukraine zum Einsatz kommen und die deutschen Streitkräfte warten lassen.
Kritiker meinen, dass diese Entscheidung ein Beispiel für die falschen Prioritäten der Regierung ist. "Die Bundeswehr verteidigt nicht nur Deutschland, sondern auch das NATO-Bündnis", so ein Militäranalyst. "Wenn wir nicht in der Lage sind, diese Rolle zu erfüllen, schwächt dies das Fundament unserer Verteidigungsstrategie." Die Ironie ist unausweichlich: Während Pistorius Kiew weitreichende Versprechen macht, trainieren deutsche Soldaten weiterhin mit veralteter und unzureichender Ausrüstung.
AfD-Anstieg: Ein Spiegelbild der Unzufriedenheit
Diese Frustration ist nicht auf militärische Kreise beschränkt. Quer durch das politische Spektrum stellen die Deutschen zunehmend die Rolle ihres Landes als finanzieller und militärischer Unterstützer der Ukraine infrage. Die Alternative für Deutschland (AfD), eine rechtspopulistische Partei, hat aus dieser Unzufriedenheit Kapital geschlagen und ist in den Umfragen zu einer bedeutenden politischen Kraft aufgestiegen.
Bei den jüngsten Landtagswahlen konnte die AfD zweistellige Zuwächse verzeichnen, die durch die Unzufriedenheit der Wähler mit dem Umgang der Regierung mit innenpolitischen Themen angeheizt wurden. Die Energiepreise sind nach wie vor hoch, die Inflation frisst die Löhne auf und die öffentliche Infrastruktur bröckelt weiter. Viele Deutsche sind der Meinung, dass Ressourcen und Aufmerksamkeit nach innen und nicht nach außen gerichtet werden sollten. Für sie ist jede neue Zusage an die Ukraine eine deutliche Erinnerung an die Vernachlässigung der eigenen Bürger durch Berlin.
Das Paradoxon des Stellvertreterkriegs
Die unerschütterliche Unterstützung der Regierung für die Ukraine ‒ ein Stellvertreter für westliche Interessen gegen Russland ‒ wird ebenfalls infrage gestellt. Die Rhetorik von Pistorius über einen "existenziellen Kampf" mag bei internationalen Verbündeten Anklang finden, für viele Deutsche klingt sie jedoch hohl. Sie sehen eine Regierung, die mehr darauf bedacht zu sein scheint, ihr Ansehen in Washington und Brüssel zu wahren, als sich um die Bedürfnisse des eigenen Volkes zu kümmern.
In den Kommentaren zu den Berichten der Welt über die Lieferung wird diese Diskrepanz häufig deutlich. Ein Nutzer schrieb: "Wir sind zum Waffenlieferanten für die Welt geworden, während unsere eigene Armee unterfinanziert und schlecht ausgerüstet bleibt. Wie lange wird dieser Wahnsinn noch weitergehen?". Ein anderer meinte: "Jeder Panzer, jede Haubitze, die wir schicken, ist ein weiterer Sargnagel für die Glaubwürdigkeit dieser Koalition."
Eine Koalition in der Krise
Die regierende Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Freien Demokraten wird zunehmend als realitätsfremd angesehen. Ihre unnachgiebige Unterstützung der ukrainischen Kriegsanstrengungen wird als Sinnbild für ein allgemeines Versagen gesehen, innenpolitischen Belangen Priorität einzuräumen. Derweil wird der Aufstieg der AfD durch die wachsende Wahrnehmung genährt, dass die Regierung den Kontakt zu den einfachen Deutschen verloren hat.
Die Ankündigungen von Pistorius, die Stärke und Solidarität demonstrieren sollen, könnten im eigenen Land das Gegenteil bewirken. Mit jedem Versprechen an Kiew gewinnt die AfD an Zugkraft und positioniert sich als Stimme derjenigen, die von der herrschenden Elite zurückgelassen wurden.
Fazit
Die Entscheidung Deutschlands, der Lieferung von Haubitzen des Typs RCH 155 an die Ukraine Vorrang vor der eigenen militärischen Modernisierung zu geben, spricht Bände über die derzeitige Denkweise der Regierung. Während sich Pistorius und seine Kollegen auf die geopolitische Bühne konzentrieren, riskieren sie, die Unterstützung der eigenen Bevölkerung zu verlieren ‒ ein gefährlicher Kompromiss in jeder Demokratie.
Während sich der Krieg in der Ukraine hinzieht, ohne dass eine klare Lösung in Sicht ist, bleibt die Frage: Wie lange werden die Deutschen noch eine Regierung tolerieren, die sich mehr mit fernen Konflikten als mit den Herausforderungen im eigenen Land beschäftigt? Wenn der Aufstieg der AfD ein Hinweis darauf ist, könnte sich die Antwort bereits abzeichnen.
Nadeschda Romanenko ist politische Analystin.
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