Von der AfD abgesehen, herrschte kurz vor und während den ersten Weihnachtstagen politische Stille rund um den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Am Mittwoch äußerte sich die Bundesinnenministerin dazu mit einer Warnung vor der Instrumentalisierung im Wahlkampf. "Zur AfD kann ich nur sagen: Jeder Versuch, eine solch furchtbare Tat zu instrumentalisieren und das Leid der Opfer zu missbrauchen, ist widerwärtig", sagte die SPD-Ministerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das zeigt nur den Charakter derer, die so etwas tun."
Faeser betonte abermals: "Wir tun alles für die Aufklärung dieser Tat. Wir trauern um die Getöteten und sind in unseren Gedanken bei ihren Familien." In den Krankenhäusern werde weiter alles getan, um den Menschen, die schwerste Verletzungen erlitten haben, zu helfen. "Gerade jetzt müssen wir auch für die Ersthelfer und Einsatzkräfte da sein, die Furchtbares erlebt haben und dabei über sich hinausgewachsen sind", sagte die Bundesinnenministerin.
Kritisiert hat die Ministerin die Trauerkundgebung in Magdeburg mit den Auftritten von AfD-Politikern am Montag. Insbesondere sorgte die emotionale Rede der Parteivorsitzenden Alice Weidel für Aufsehen. Der Regierung warf Weidel die Relativierung der Taten jener vor, "die unsere Gesellschaft verachten und Deutschland abgrundtief hassen". Die etwa 3.500 Zuhörer der Rede auf dem Domplatz riefen nach diesen Worten "Abschieben!". Mit Blick auf den Täter sagte Weidel, wer die Bürger des Landes verachte, das ihm Asyl gewähre, "der gehört nicht zu uns". Von der Politik forderte sie Aufklärung und Aufarbeitung der Tat.
Parallel dazu fand in Magdeburg auf dem Alten Markt eine Lichterkette unter dem Motto "Wir wollen trauern – Gebt Hass keine Chance!". An dieser Aktion haben sich mehrere NGOs und Hilfsorganisationen beteiligt, darunter der Miteinander e. V., dessen Geschäftsführer Pascal Begrich die AfD schon im Vorfeld kritisierte. "Noch ist zur Tat und zum Täter einiges ungeklärt. Die politische Meinungsbildung der AfD aber ist bereits abgeschlossen. Sie nutzt den furchtbaren Angriff für ihre politische Agenda und stellt die Migration nach Deutschland als vermeintliche Ursache in den Mittelpunkt", behauptete er auf X.
Der BSW-Politiker Fabio De Masi attackierte die AfD scharf. "Ein paar rechte Influencer" verfolgten eine "Agenda der Niedertracht", schrieb er auf X. "Die AfD versucht, mit Magdeburg ihre politische Notdurft zu verrichten und davon abzulenken, dass der Attentäter mit seinem diffusen Weltbild auch ihr Sympathisant war (was belegt und keine Erfindung der Medien ist, jedoch nur für die Analyse der Motive von Bedeutung ist)." Für diesen Post wurde Di Masi auf der Plattform mehrheitlich kritisiert.
An der Kundgebung nahmen außer Alice Weidel die AfD-Landespolitiker Martin Reichardt, Oliver Kirchner, Dr. Hans-Thomas Tillschneider und ein paar weitere Redner teil. Martin Reichardt rekurrierte auf den Post der Mutter des getöteten neunjährigen André. "Lasst meinen kleinen Teddybären noch einmal um die Welt ziehen." Er sagte, dass der Kleine jetzt im Himmel sei, wo er von Liebe und Hoffnung umgeben sei.
"Jeden von uns hätte es treffen können. Wir hören die leeren Phrasen der verantwortlichen Politiker und wissen, das Schicksal der Opfer geht ihnen nicht ans Herz." Auch widersprach er Bundeskanzler Olaf Scholz, der gefordert hatte, man müsse den Täter und seine Handlungen und Motive genau verstehen: "Nein! Denn was Terroristen motiviert, ist nicht relevant für unser Leben und unsere Zukunft." Der Täter sei ein ausländischer Extremist, der seine Morde mehrfach angekündigt hat und nicht hierher gehörte.
Der Islamwissenschaftler und AfD-Abgeordnete im Landtag Sachsen-Anhalts, Hans-Thomas Tillschneider, versuchte, ein Täterporträt zu skizzieren. Der Terrorist sei ein saudi-arabischer Oppositioneller, ein vom Islam abgefallener Bürger des strengsten islamischen Staates, ein Araber, der davon träumte, Israel möge die Arabische Halbinsel besetzen, erläuterte er das wirre Weltbild von Taleb al-Abdulmohsen.
Die Tatsache, dass fünf Magdeburger, die noch nie in ihrem Leben in Saudi-Arabien waren und sonst mit dem Land gar nichts zu tun hätten, für die Wut eines saudischen Staatsbürgers auf seine Regierung mit ihrem Leben bezahlen mussten, sei eine Folge der Globalisierung und Entwurzelung der Menschen. Durch Migration trage sie nur die Konflikte ihrer Herkunftsländer um die Welt. Von den Verantwortlichen in der Politik forderte er einen grundsätzlichen Wandel.
"Und eben das wären doch die Politiker den Opfern schuldig, wenn die Trauer nicht nur geheuchelt und wenn die Bestürzung nicht nur Lippenbekenntnis sein soll. Dass wir einmal mit allem Ernst und mit aller Entschlossenheit jetzt 'nie wieder!' sagen."
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hielt sich hingegen mit Kommentaren auffällig zurück. Das war seine bewusst getroffene Wahl. Einem Spiegel-Bericht zufolge wolle er nicht, dass der Anschlag von Magdeburg in den Wahlkampf gezogen wird. Die Union solle sich zurückhalten, glaubt er, erst einmal müsse die Tat aufgeklärt werden. Es sei nicht der Moment, um schnell einen eilig zusammengeschusterten Zehn-Punkte-Plan rauszuhauen, teilten seine Parteikollegen mit.
"Wir sind demütig, wir halten uns kommunikativ zurück, wir warten ab, was die Ermittlungen ergeben" – das sei die Strategie, die der Kanzlerkandidat für die nächsten Tage ausgibt. "In den beiden Runden ist man sich weitgehend einig, dass Magdeburg von der Union vor allem als ein Problem der inneren Sicherheit behandelt werden sollte und nicht als Migrationsthema, so wie es die AfD versucht."
In der Union habe man sich geschworen, über die Feiertage Ruhe zu geben. Man wolle abwarten, was bei der geplanten Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses am 30. Dezember herauskommt. "Alles, was wir bisher über den Attentäter wissen, ergibt ja für die Menschen noch keine schlüssige Erklärung", teilte ein einflussreicher Parteistratege dem Spiegel mit. Von dieser Erkenntnislücke versuche die AfD, "erwartbar hemmungslos" zu profitieren, so der Vertraute. Um diese Strategie zu durchkreuzen, habe man jetzt eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. "Dann liegen hoffentlich alle Informationen auf dem Tisch, auch für die AfD-Abgeordneten", sagte er.
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