Eine neue Untersuchung des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Schluss, dass die Konkurrenzfähigkeit des sogenannten Verarbeitenden Gewerbes auf den internationalen Märkten in den letzten beiden Jahren zunehmend nachgelassen hat. Der Titel der Ausarbeitung setzt zwar noch ein Fragezeichen ("Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie im freien Fall?"), betont aber, dass es seit 1994 keine so starke Verschlechterung gegeben hat.
"Besonders betroffen sind die energieintensiven Branchen; aber auch der für die deutsche Wirtschaft sehr wichtige Automobilsektor verliert an Boden."
Zusammen mit Finnland, Belgien und Österreich bildet Deutschland das Schlusslicht bei der EU-weiten Wettbewerbsfähigkeit. Im deutschen Falle zählen zu den Hauptursachen für die dramatische Lage zunächst die enormen Energiekosten. Beklagt werden zudem eine aufwendige Bürokratie und hohe Abgabenlast, was sich kombiniert sehr negativ auf Position deutscher Industrieunternehmen auf den traditionell wichtigen Exportmärkten auswirkt.
Das ifo Institut hatte unter etwa 2.000 Unternehmen eine Erhebung veranstaltet. Die negativen Einschätzungen ziehen sich durch nahezu alle Industriebereiche. Wie die Nachrichten der vergangenen zwei Jahre nahelegen, sieht die Lage in energieintensiven Industriezweigen und exportorientierten Branchen besonders düster aus.
Anders dagegen die Perspektive italienischer oder französischer Industriebetriebe: Diese bewegen sich über den EU-Durchschnittswerten.
Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) halten zu der Entwicklung fest, dass seit 2018 die deutsche Industrieproduktion um zwölf Prozent gesunken ist. Eine deutliche Schwäche sei bei den Auftragseingängen zu verzeichnen, die Auslastung der Kapazitäten sinke weiter. Die Krise lässt sich ebenfalls an den rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen festmachen: Seit vier Quartalen in Folge gehen die Anschaffungen von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen zurück. Zwar habe es im vergangenen September eine kleine Zunahme beim Auftragsbestand gegeben, dafür sei dieser im halben Jahr davor kontinuierlich gesunken.
Für den Moment scheinen die schlechten Wirtschaftsdaten noch nicht voll auf die Arbeitsmarktzahlen durchzuschlagen. Dies könnte daran liegen, dass nach dem Wegfall der Industriearbeitsplätze viele Beschäftigte noch Stellen im Dienstleistungssektor gefunden haben, wo bislang zumindest noch Mitarbeiter gesucht wurden, so die DWN. Doch diese Kompensationsmöglichkeiten dürften bald erschöpft sein. Das ifo Institut unterstreicht, dass die "deutsche Misere" gerade im europäischen Vergleich deutlich werde.
Erstaunlich an der Darstellung des ifo Instituts ist, was unausgesprochen bleibt: Zwar werden die exorbitanten Energiekosten in Deutschland beklagt, doch die Ursachen mit keiner Silbe benannt. Weder spricht das Institut, das an die Münchner Universität angeschlossen ist, von der Verteuerung der politisch gewollten sogenannten "Energiewende" durch die gescheiterte Ampelkoalition, noch benennt es die Folgen der westlichen antirussischen Sanktionen seit 2022. So überrascht es auch nicht, dass die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines ebenso wenig Erwähnung findet wie die offenkundigen Kompetenzprobleme an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums.
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