Im Dezember 2021 wurde medial über die vermeintliche Erfolgsmeldung berichtet, dass die Bundesregierung "eine Million Packungen von Anti-COVID-Medikament gekauft" hatte. Rund drei Jahre später muss sich ein Apotheker vor dem Landgericht Berlin zu dem Vorwurf äußern, dass er "im großen Stil das COVID-19-Präparat Paxlovid ohne Rezept abgegeben hat", so die Website apotheke adhoc (Leseschranke). Laut dem Artikel wurde für die Verhandlung eine BMG-Mitarbeiterin vorgeladen, die dann jedoch erklärte, dass sie zur erhofften Angabe zum BMG-Einkaufpreis des Corona-Medikaments Paxlovid nichts sagen dürfte.
Zum Fall des Berliner Apothekers heißt es, dass diesem vorgeworfen wird, er habe "an sechs verschiedenen Tagen zwischen dem 2. und dem 12. Januar 2023 große Mengen des Corona-Medikaments Paxlovid an einen unbekannten Abnehmer verkauft". Zur Anklage und der Verteidigungsstrategie des Beschuldigten heißt es im Artikel.
"Die Anklage lautet konkret: Untreue in besonders schwerem Fall und Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG). Zum Verkauf an sich bekennt der Apotheker sich schuldig. Er habe aber nicht gewusst, dass der Bund einen Eigentumsvorbehalt geltend gemacht habe."
In einem vorherigen Artikel heißt es zur Höhe der mutmaßlichen Schadensumme:
"Dem Apotheker aus dem Berliner Stadtteil Neukölln wird vorgeworfen, im Januar 2023 insgesamt 2.701 Packungen Paxlovid an eine unbekannt gebliebene Person verkauft zu haben. Durch die missbräuchliche Weiterveräußerung soll der Bundesrepublik ein Schaden von etwa 1,8 Millionen Euro entstanden sein. Der Inhaber hatte laut Anklage 41,65 Euro je Packung verlangt und damit selbst insgesamt 112.000 Euro kassiert.
Zum Gesamtverständnis erfolgt der Hinweis, dass das BMG unter Karl Lauterbach im November 2022 eine "Allgemeinverfügung" ins Leben rief, die besagte, dass "das zentral beschaffte Medikament unentgeltlich über die Apotheken verteilt werden" sollte. Laut vorgegebener Regelung hätten zudem Apothekenbesitzer die Chance erhalten, eigenständig Paxlovid-Einheiten "per Sonder-PZN abzurechnen und für die Abgabe einen Betrag von 30 Euro netto in Rechnung zu stellen".
Die geladene BMG-Mitarbeiterin hätte nun dem Gericht die mutmaßlichen Packungspreise des Medikaments bestätigen sollen, um den Schaden berechnen und das Urteils sprechen zu können. Dazu heißt es:
"Dazu wurde eine Mitarbeiterin aus dem Referat 117 als Zeugin befragt. Mit der Beschaffung selbst habe sie nichts zu tun gehabt, da sie erst nach den genannten Vorfällen ihr Amt im Ministerium aufgenommen habe. Bei der Erstellung der Strafanzeige habe sie zwar mitgewirkt, dürfe aber aufgrund von einer eingeschränkten Aussagegenehmigung keine konkreten Auskünfte zum Erwerbspreis geben, so die Zeugin."
Laut Mutmaßungen der Medien hatte der Bund das Medikament vom Hersteller Pfizer für einen Packungspreis von rund 650 Euro eingekauft. Dazu heißt es im Januar dieses Jahres:
"Der Preis, den Deutschland pro Packung Paxlovid an Pfizer bezahlt hat, war bisher ein gut gehütetes Geheimnis. Recherchen von WDR, NDR und 'Süddeutscher Zeitung' haben nun ergeben, dass der Bund rund 650 Euro pro Packung bezahlt haben soll, also insgesamt rund 650 Millionen Euro. Weder der Pharmariese noch das Gesundheitsministerium wollen den Preis kommentieren und berufen sich auf Geheimhaltungsklauseln."
Ausgehend von diesen bekannten Realitäten erklärte die Verteidigung des Beschuldigten, man "wollte sich damit (dem Hinweis der BMG-Mitarbeiterin; Anm.) nicht zufriedengeben". Eine Angestellte des Beklagten (Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, PKA) gab zu Protokoll:
"Die PKA bestätigte die Aussage des Apothekers, dass der Großhändler regelrecht zur Abnahme vieler Packungen Paxlovid gedrängt habe. Sie habe den Auftrag von ihrem Chef bekommen, sich zu erkundigen, ob und in welcher Menge sie Paxlovid über den Großhandel beziehen könne. 'Sie können auch noch mehr bestellen, so viele wie sie wollen', soll es auf Nachfrage geheißen haben. Lediglich auf den kurzen Verfall sei man im Rahmen der Bestellung hingewiesen worden, so die Angestellte."
Da der Apotheker anscheinend auch auf erweiterte Gewinnmargen in der "Corona-Krise" hoffte, wurde schlussendlich "eine Bestellung über 200 Packungen aufgegeben". Auf der Rechnung vom Großhandel sei dabei ein Preis "pro Packung von 20 Euro angegeben gewesen". Am Ende habe der Apotheker realisieren müssen, dass die gewinnbringenden Vorstellungen größer waren als Bedarf und tatsächliche Abnahmegrößen. Dazu heißt es:
"Ein 'Riesenaufwand' sei dann schlussendlich die Retoure der vielen bereits verfallenen Packungen gewesen. 'Der Chef kam zu mir und sagte, er könne die Packungen nicht mehr verkaufen', erklärt die PKA. Der Inhaber habe 700 Paxlovid-Schachteln retournieren wollen."
Dadurch sei der Apotheke "ein Schaden entstanden". Eine Verurteilung wurde vorerst vertagt, um den seitens der Verteidigung nun eingeforderten Noweda-Außendienstmitarbeiter (Apothekenlieferant) vorzuladen. Dieser soll dann bestätigen, dass der seitens des BMG definierte "Eigentumsvorbehalt sowohl dem Inhaber als auch seinen Angestellten zum Tatzeitpunkt nicht bekannt war". Nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Weiterverkaufs zu Jahresbeginn 2023 hatte das BMG "die Bevorratung durch Apotheken auf maximal 20 Packungen begrenzt".
Nach Durchsuchungen im Dezember 2023 wurden demnach allein in Berlin sechs diesbezügliche Verfahren eingeleitet. In der Hauptstadt sei mit dem unterstellten illegalen Handel mit Paxlovid "ein Schaden von drei Millionen Euro entstanden". Bundesweit wurden zudem bei mehr als 25 Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gegen Apotheken erstattet, deren Verfahren "teilweise auch schon wieder eingestellt wurden".
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