Dieses Mal war es das Medienportal Nius des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, gegen das das Ministerium von Innenministerin Nancy Faeser unterlag. Mitarbeiter des Portals wollten wissen, "ob und wenn ja wegen welcher Äußerungen seit Amtsantritt der Ampel-Regierung gerichtliche oder außergerichtliche Unterlassungsbegehren gegen Medien oder Journalisten geltend gemacht wurden", berichtet die Welt.
Hintergrund dieser Nachfrage war unter anderem die Auseinandersetzung um die Berichterstattung über eine Transfrau, die in ein Fitnesscenter für Frauen wollte. Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hatte damals versucht, die Berichterstattung zu untersagen. Nius wollte nun von allen Bundesministerien wissen, wie viele derartige Fälle es gegeben hatte.
Das BMI antwortete, es habe nur einen einzigen Fall gegeben, in dem gegen einen Journalisten vorgegangen worden sei, aber gegen wen und warum, wollte das Ministerium nicht mitteilen.
Aus der Presseerklärung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg lässt sich ersehen, wie das Innenministerium in seiner Ablehnung argumentiert hat. Offenkundig hat das Ministerium erklärt, reine Online-Medien hätten keinen Auskunftsanspruch. Das Gericht erklärte nämlich:
"Nach Auffassung des Senats hat der Betreiber des Online-Nachrichtenportals einen verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch. Das Portal sei ein im Internet frei zugängliches, audiovisuelles und journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Deshalb sei es im Hinblick auf den Auskunftsanspruch der Presse oder dem Rundfunk im funktionalen Sinn gleichzustellen."
Gleichzeitig scheint seitens des Faeser-Ministeriums auch das öffentliche Interesse an dieser Information bestritten worden zu sein:
"Zudem bestehe hinsichtlich des in Rede stehenden Auskunftsbegehrens ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein Aktualitätsbezug, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigten."
Die deutlichste Ohrfeige findet sich aber im letzten Satz dieser Presseerklärung, die die Kernpunkte des (zumindest bisher) nicht im Internet veröffentlichten Urteil wiedergibt:
"Der Antragsteller habe hinreichend dargelegt, dass es sich beim Vorgehen der Bundesregierung gegen regierungskritische Presseberichterstattung mithilfe externer Anwaltskanzleien um ein neues Phänomen handele, an dem ein großes Interesse der Öffentlichkeit bestehe."
Dahinter steckt, dass es zwar auch bisher Unterlassungsklagen gab, derartige Klagen sogar, wie man weiß, gewerbsmäßig betrieben wurden (von sogenannten Abmahnkanzleien), dass es allerdings Personen und Unternehmen waren, die zu dieser Technik griffen. Ob auf angebrachte oder unangebrachte Weise gebraucht, es geht hier um ein Verfahren, das dem Schutz von Persönlichkeitsrechten dient. Staatliche Organe sind aber das genaue Gegenteil von Personen und dürften eigentlich schon deshalb keinen Anspruch auf diese Art zivilrechtlichen Schutzes erheben, weil sie als Ausübende der Staatsgewalt selbst nicht eines – von dieser getrennten, zusätzlichen – Schutzes bedürfen.
Die Art und Weise, wie das Oberverwaltungsgericht seine Erklärung formuliert hat, lässt erkennen, dass es nicht nur in der Abweisung des Auskunftsbegehrens von Nius, sondern auch in der Vorgehensweise, die dieses Begehren ausgelöst hat, einen Verstoß sieht.
Schon im Zusammenhang mit dem Verbot der Zeitschrift Compact hatte das Ministerium der Juristin Faeser eine Niederlage eingefahren. Die vielfältigen Bemühungen, gegen abweichende Meinungen vorzugehen, die aus diesem Ministerium erfolgen, scheinen nicht bei allen Gerichten auf Gegenliebe zu stoßen.
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