"An Arroganz nicht zu überbieten" – erneut Ausnahmezustand in Berlin wegen Biden-Besuch

Gut eine Woche nach den Kaffeepläuschken von Wladimir Selenskij mit den Honoratioren der Hauptstadt, müssen sich die Berliner erneut, aufgrund der Anreise von US-Präsident Biden, den Komplettsperrungen und Verzögerungen im Alltagsablauf stellen. Der Berliner Fahrgastverband fragt: Muss das sein?

"Und wöchentlich grüßt die politische Nötigung", so ähnlich empfinden viele betroffene Berliner, Reisende und Touristen die erneuten polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen für den am heutigen Donnerstag beginnenden Abschiedsbesuch des US-Präsidenten Joe Biden in der deutschen Hauptstadt.

Vor gut einer Woche hatte schon die Stippvisite des ukrainischen Präsidenten Selenskij für Chaos im öffentlichen Nahverkehr und im Straßenverkehr gesorgt. Der Berliner Fahrgastverband IGEB erkennt eine vermeidbare, provozierte Schikane, da sich sehr wohl zuhauf für die Bürger weniger belastende Empfangsorte anbieten würden, wie "das Schloss Meseberg oder der Flughafen BER".

Ein Grund für US-Präsident Joe Bidens anstrengenden Überseeflug erfolgt laut Protokoll und Informationen unter anderem, um ihn "mit der Sonderstufe des Großkreuzes des Bundesverdienstordens auszuzeichnen", wie das Bundespräsidialamt mitteilte. Erfreulich für die Berliner, die belastende Ausnahmesituation gängelnder Sicherheitsmaßnahmen "ist im Vergleich zur ursprünglich vorgesehenen Visite gekürzt worden", dies auch bezogen auf die Anzahl der Veranstaltungsorte.

Michael Wedel vom Berliner Fahrgastverband IGEB kommentierte:

"Bei Staatsbesuchen halb Berlin zuzumachen, ist an Arroganz nicht zu überbieten. Es ist doch egal, wo die Politiker mit ihren Gästen Gespräche führen. Die wollen doch kein Sightseeing machen."

Die Berliner Polizei informierte auf dem Netzwerk X über die Größenordnung erzwungener Umwege, Staus, Terminverschiebungen, Nervenbelastungen und schlichte politische Gängelung des Planungsstabs aus dem Kanzleramt. So heißt es:

"Aufgrund des Besuchs des US-Präsidenten in Berlin kommt es am Donnerstag & am Freitag (17./18.10.) im Bezirk Mitte zu umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen und Verkehrsbeeinträchtigungen. Besonders betroffen sind die Bereiche: Potsdamer Platz, Regierungsviertel und Schloss Bellevue."

Anwohner und Beschäftigte in der Umgebung des Regierungsviertels, werden zudem wieder einmal ermahnt:

"Um als anwohnende oder berechtigte Person die abgesperrten Bereiche reibungslos betreten zu können, führen Sie bitte Ihr Personaldokument und Ihren Dienst- oder Betriebsausweis als Legitimation bei sich."

Fehlt noch etwas?

"Die Nutzung öffentlicher Flächen in den entsprechenden Bereichen für öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel ist nicht gestattet. Das Abstellen von Kraftfahrzeugen (auch solchen mit Sonder- und Ausnahmegenehmigungen gemäß StVO), Fahrrädern, motorisierten Zweirädern, alle Arten von elektrobetriebenen Fahrzeugen oder mobilen Behältnissen (insbesondere Kleidercontainer, Müllbehälter etc.) ist dem Gemeingebrauch öffentlicher Flächen in den Bereichen und den angegebenen Zeiten untersagt."

Die bei Touristen beliebten und eingeplanten Dampfertouren sind natürlich für zwei Tage abgesagt, da "das Befahren der Spree, unter anderem in Höhe des Bundeskanzleramtes, nicht mehr möglich sein wird".

Der IGEB bat die Hauptstadtjournalisten zum Termin, um die Frage zu stellen, warum sich das gesamte Theater mitten im Berliner Stadtzentrum abspielen müsste. Am Freitagnachmittag beginnen zudem die Herbstferien, was wiederum zu langen Staus sowie Verspätungen bei der Bahn führen könnte.

Ein Manager eines Bahnunternehmens brachte laut Berliner Zeitung als einfache Lösung das existierende Gästehaus der Bundesregierung ins Spiel, das 70 Kilometer nördlich von Berlin im Landkreis Oberhavel liegt. Weiter heißt es:

"Er fragte, warum Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht in Meseberg empfangen könne. In dem Dorf, das zu Gransee gehört, leben gerade mal 150 Menschen. Berlin hat dagegen mehr als 3,8 Millionen Einwohner. Viele von ihnen (und zahlreiche Auswärtige) sind betroffen."

Ergänzend zu diesen Überlegungen berichtete der Berliner Tagesspiegel bereits am Vortag:

"Auch in Meseberg versteht man nicht, warum solch großer Aufwand in Berlin betrieben wird, während Meseberg perfekte Bedingungen bietet. Für einen US-Präsidenten müssten in Berlin unzählige Gullydeckel zugeschweißt werden, in Meseberg nur einer. Auch der Aufwand für die Polizei sei kleiner. Die sperre einfach die einzige Zufahrtsstraße ab, dann wäre der Fall erledigt."

"Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung das Gästehaus wieder häufiger nutzt", hieß es seitens der Betreiber des ungenutzten Veranstaltungsortes.

Der RBB berichtet, dass zum Thema eingeschränkter S-Bahnverkehr, "einige Linien wie die S45 und die S26 komplett entfallen, andere wie die S3, S75 und S5 verkehren nur auf einem Teil der üblichen Strecke". Die Ringbahn soll "demnach nur im Zehn-Minuten-Takt fahren". Zudem soll auch die S1 und S2 nur eingeschränkt fahren. Weitere Informationen könnten gestresste Bürger auf der Webseite der S-Bahn in Erfahrung bringen.

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