Wieder nur heiße Luft? Ampel entschärft "Sicherheitspaket" nach Solingen-Anschlag

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Messerverbot, Gesichtserkennung, Streichung von Sozialleistungen – nach dem islamistischen Terror in Solingen wollte die Ampel Verschärfungen durchsetzen. Diese schränkt sie nun offenbar ein – nachdem die Wahlen in Ostdeutschland vorbei sind.

Nach dem Terroranschlag in Solingen vor knapp zwei Monaten war die Empörung – auch in der Regierung – wieder einmal groß. Abbschiebeaktionen, mehr Grenzkontrollen und Überwachung wurden von der Ampel angekündigt. Am Freitag haben sich SPD, Grüne und FDP im Bundestag auf Details im sogenannten Sicherheitspaket geeinigt – und es dabei entschärft, wie aus einem Brief des stellvertretenden Fraktionschefs Dirk Wiese an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion hervorgeht. Das berichtet die Zeit am Samstag.

Wiese sagte nach der Einigung am Freitag:

"Die Regelungen zu Migration, zu neuen Ermittlungsbefugnissen für die Sicherheitsbehörden des Bundes und zum Waffenrecht werden im Lichte der Sachverständigenanhörung im Bundestag geändert."

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Konstantin Kuhle ergänzte: "Wir werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden moderat erweitern, dabei die Grundrechte achten." Die Partei wolle "Ordnung und Kontrolle" bei der Migration verstärken. Zudem seien Veränderungen im Bereich des Waffenrechts vorgesehen, "um sich um die wachsende Messerkriminalität in Deutschland zu kümmern". Wie das genau passieren soll, bleibt unklar – angedachte "Messerverbotszonen" zeigen eher einen gewissen Realitätsverlust der zuständigen Politiker auf. Die neuen Regelungen sollen es "allen ermöglichen zu erkennen, ob sie von einem Messerverbot betroffen sind oder nicht", tönt es aus FDP-Kreisen. Kuhle kündigte demnach auch einen "umfassenden Ausnahmekatalog" für die Messernutzung an.

Vor allem aber bei den wirtschaftlichen Anreizen – massive Sozialleistungen für Flüchtlinge, die vom deutschen Steuerzahler finanziert werden – greift die Ampel nun doch nicht durch: Die ARD zitiert unter anderem aus einem Schreiben der SPD-Fraktion an ihre Bundestagsabgeordneten vom Freitagabend. Demnach wird die ursprünglich geplante Streichung von Sozialleistungen für sogenannte Dublin-Flüchtlinge abgeschwächt. Dabei geht es um Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert worden sind. Wie die ARD zudem nach eigenen Angaben aus der Grünenfraktion erfuhr, sollen ihnen nur noch dann die Sozialleistungen gekürzt werden, wenn es ihnen tatsächlich möglich sei, in den ursprünglich zuständigen EU-Staat zurückzukehren. Außerdem solle es eine Härtefallregelung geben, die unter anderem Kinder betreffe.

Laut dem Bericht hatte es bei den Expertenanhörungen Kritik und Warnungen vor dramatischen Notlagen für die Betroffenen gegeben. In dem SPD-Brief heiße es nun: "Wir wollen mit dem Leistungsausschluss weder Obdachlosigkeit noch Verelendung von Asylsuchenden."

Biometrische Abgleiche zur Gesichtserkennung zur Identifizierung von Tatverdächtigen sollen nun nur noch auf Fälle beschränkt werden, in denen es darum geht, schwerste Straftaten zu verhindern oder zu verfolgen, zum Beispiel Mord oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Dadurch soll dem Bericht zufolge auf Bedenken von Experten wegen weitreichender Grundrechtseingriffe eingegangen werden – inwieweit die gegenüber islamistischer Terroristen ins Feld geführt werden müssen, steht auf einem anderen Blatt.

Es scheint sich der Eindruck zu bestätigen, dass die im Zuge der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg vor allem von der Kanzlerpartei SPD groß angekündigten Maßnahmen zur Entschärfung der Asylkrise sich immer stärker in heiße Luft auflösen – nachdem die AfD weiter außen vor bleibt, was eine mögliche Regierungsbeteiligung betrifft.

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