Sondierungsversuche? Weidel und Wagenknecht beziehen Stellung in Fernsehdebatte

Am Mittwochabend trafen sich Alice Weidel und Sahra Wagenknecht, die Parteivorsitzenden von AfD und BSW, zu einem TV-Duell, das von der Zeitung Die Welt veranstaltet wurde. Die klickzahlenträchtige Live-Diskussion war die erste dieser Art zwischen den Politikerinnen.

Die gut einstündige Fernsehdiskussion der beiden Parteivorsitzenden wurde vom TV-Chefredakteur der Welt, Jan Philipp Burgard, moderiert und begann kurz nach 18 Uhr. Beide Politkerinnen hätten mit ihrer Zusage, sich dem "Duell" zu stellen, nicht lange gezögert, so der Journalist. Vereinbart wurde eine gleichmäßig verteilte Redezeit, und Weidel wie Wagenknecht suchten zu Beginn einen sachlichen bis freundlichen Ton anzuschlagen. Weidel, die noch am Nachmittag erklärt hatte, keinen Anlass für ein konfrontatives Herangehen zu sehen, sprach eingangs davon, sich auf eine "anregende Diskussion" zu freuen, während Wagenknecht betonte, eine "sachliche Auseinandersetzung" führen zu wollen, "die für die Wähler auch deutlich macht, wo die Unterschiede liegen." Die BSW-Vorsitzende plädierte für einen fairen Umgang mit der AfD, forderte allerdings dasselbe auch von der AfD ein.

Kernthemen des Duells waren die Kritik beider Parteien an der Berliner Ampelkoalition, finanz- und sozialpolitische Fragen – und damit verbunden die Wirtschafts- und Energiepolitik. Diese eher innenpolitischen Themen, die als kurzer Einstieg dienten und bei denen sich teilweise Übereinstimmungen der AfD- und BSW-Positionen andeuteten, gingen dann schnell in die großen außen- und weltpolitischen Fragen über. Auf diesen Feldern kam es bald zu erregten Wortwechseln, beispielsweise in Bezug auf den Nahostkonflikt. Daraufhin wechselte das Duell zum Ukraine-Krieg und den US-Wahlen. Über die Frage "Trump oder Harris?" gelang es dem Moderator, die Diskussion auf das Reizthema Migration zu lenken. Ab diesem Punkt nahm das Duell deutlich konfrontativere Züge an.

Schwierige Aufgabe für Weidel

Die AfD-Vorsitzende, die eher für den wirtschaftsliberalen Teil ihrer Partei steht, suchte zunächst mit Aussagen zur Energiepolitik, Steuern und Finanzen zu punkten. Weidel möchte die "Schuldenbremse" beibehalten und "unnötige Ausgaben" einsparen, allen voran Sozialausgaben. "Von ihrer Arbeit" müssten die Menschen wieder "leben können", ein "Milliardenblock an Bürgergeld", der teils an Migranten ginge, sei auf Dauer nicht zu finanzieren. Als Wagenknecht auf die Frage der staatlichen Investitionen abstellt und Kürzungen beim Bürgergeld eher ablehnt, handelt sie sich vom Moderator die Bemerkung ein, dem "Kommunismus" nahe zu stehen, was sie mit einem scharfen "Jetzt kommen Sie mir nicht auf die Tour!" quittiert.

Beim Nahost-Thema und der Frage nach der Hamas versuchte Weidel es mit Kritik an den Grünen und Außenministerin Baerbock, die "Israel-Hasser zum Dinner" eingeladen habe. Wagenknecht nutzte die Gelegenheit, um die Haltung der AfD zu Israel zu beleuchten. Weidel und ihre Partei stünden einseitig an der Seite des israelischen Premierministers Netanjahu. Dagegen verteidigte sich die AfD-Vorsitzende mit der Aussage, Israel sei vor einem Jahr in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" überfallen worden. Die Zwei-Staaten-Lösung sei schwierig umzusetzen und gegenwärtig ermögliche die Lage keine Aussicht auf Frieden. Auch in der Frage von Waffenlieferungen an Israel, die Wagenknecht ablehnt, gab es zwischen den Politikerinnen keine Einigkeit. Weidel meint, Deutschland sei gar nicht in der Lage, Waffen zu liefern, da es nicht einmal zur eigenen Landesverteidigung in der Lage wäre.

Was den anderen Großkonflikt der Gegenwart betrifft, den Krieg in der Ukraine, kommt Weidel ebenfalls ins Hintertreffen. Während Wagenknecht auf die geopolitische Konfrontation zwischen den USA und Russland abzielt und die Osterweiterung der NATO anspricht, kann Weidel nur allgemein für Verhandlungen plädieren, ohne näher auf die Ursachen des Krieges einzugehen.

Wagenknecht hatte gleich eingangs deutlich gemacht, dass sie, ähnlich wie die AfD, die antirussischen Sanktionen kritisch sieht und mindestens den Import von Erdgas aus Russland wiederaufnehmen möchte. Mit dieser Position muss sie sich eher gegen den Moderator als gegen Weidel verteidigen.

Wagenknecht im Angriffsmodus

Während sich Weidel klar für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump ausspricht, unterstreicht Wagenknecht ihre Distanz zu den USA. In der Begründung für ihre Positionierung zur Migrationsproblematik in den USA und Trumps Leistungen zeigt Weidel Schwächen, was sie mit einem Lächeln zu überspielen sucht – wie noch öfters an diesem Abend.

Die BSW-Chefin nutzt die thematische Brücke, um auf die scheinbar uneinheitliche Linie in der AfD beim Thema Zuwanderung und insbesondere die Stellungnahmen von Björn Höcke abzuzielen, indem sie ausführlich aus Höckes Schriften zitiert. Somit war Weidel genötigt, auf Äußerungen ihres Thüringer Parteikollegen zu reagieren, der laut Wagenknecht gefordert habe, 20 bis 30 Millionen Menschen aus Deutschland zu remigrieren. Dies hält Wagenknecht für "unmenschlich". Weidel vermeidet, zu Höckes Forderungen Position zu beziehen. Unter dem Begriff Remigration will Weidel die Durchsetzung von Recht und Gesetz verstanden wissen und richtet ihre Kritik an die Adresse der Bundesregierung. Innenministerin Nancy Faeser vertrete teilweise Dinge, die verfassungswidrig seien. Wagenknecht konfrontiert die AfD-Chefin schließlich damit, dass sie 2017 einen Antrag unterschrieben habe, Höcke aus der AfD auszuschließen.

Koalitionsgespräche?

Da Wagenknecht wiederholt auf die innerparteilichen Widersprüche in der AfD verweist, versucht Weidel einen Gegenangriff auf die BSW-Vorsitzende, die Gespräche mit der AfD zwar nicht ausschließen, aber verhindern will, dass Politiker wie Höcke "in unserem Land Macht" bekommen. Weidel zitiert nun ihrerseits Positionen von Wagenknecht aus den 1990er-Jahren, als diese sich beispielsweise anerkennend über die Politik Kubas oder Venezuelas unter Hugo Chavez geäußert hatte. Auch ihre Mitgliedschaft in der SED und dann in der Kommunistischen Plattform der Linkspartei, was teilweise 20 und mehr Jahre zurückliegt, muss sich Wagenknecht vorhalten lassen. Der BSW-Chefin fällt es leicht, Weidel entgegenzuhalten, dass sie sich nur oberflächlich mit ihren früheren Schriften beschäftigt habe.

Dass es auch bei aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen nicht so schnell zu einer Einigung zwischen AfD und BSW kommen dürfte, zeigt sich dann noch, als Weidel, wohl auch um die Scharte ihres misslungenen Angriffs auf Wagenknecht in Sachen Venezuela auszugleichen, auf die Mittelstandsförderung zu sprechen kommt. Wagenknecht verteidigt staatliche Regulierung im Sinne der ordoliberalen Schule zugunsten mittelständischer Unternehmen und greift Weidel an, die lange Mitglied der Hayek-Gesellschaft gewesen ist. Weidel will dies wiederum nicht auf sich sitzen lassen.

An diesem Abend machte Wagenknecht den besser vorbereiteten und eloquenteren Eindruck. Weidel brauchte des Öfteren einen Moment zu lange, um zu einer Antwort zu finden. Indem Wagenknecht immer wieder auf die Personalie Höcke abstellte, brachte sie Weidel in Erklärungsnot. Deren Gegenangriffe auf Wagenknecht zielten dann eher auf die Person, nicht auf die aktuellen Positionen der BSW-Vorsitzenden. Klarer Verlierer des Abends war allerdings mit Abstand der Moderator aus dem Springer-Konzern.

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