Rücktrittswelle in der Ampel setzt sich fort ‒ SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert tritt zurück

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert steigt aus gesundheitlichen Gründen aus der Berliner Politik aus. Zudem verzichtet er auf eine erneute Kandidatur bei der nächsten Bundestagswahl. Ex-Grünen-Vorsitzende Lang bezeichnete Kühnert als "einen der klügsten und schlagfertigsten Politiker, die ich kennen lernen durfte".

Wenige Wochen nach dem Rücktritt der beiden Parteivorsitzenden der Grünen, Omid Nouripour und Ricarda Lang, kündigt sich der nächste politische Paukenschlag im Berliner Regierungsviertel an. 

In dem zweiseitigen Brief an die "lieben Genossinnen und Genossen" teilt Kevin Kühnert laut Bild-Zeitung mit:

"Ich habe unsere Parteivorsitzenden Saskia [Esken] und Lars [Klingbeil] vor wenigen Tagen informiert, dass ich vom Amt des SPD-Generalsekretärs heute zurücktrete. Für ihr Verständnis und ihre Empathie danke ich den beiden ebenso, wie für unsere besonders enge und freundschaftliche Zusammenarbeit."

Der 35-Jährige verzichtet laut Spiegel-Informationen außerdem auf eine erneute Kandidatur bei der nächsten Bundestagswahl. So informierte er in dem Schreiben:

"Ich habe außerdem die Vorsitzenden der SPD Tempelhof-Schöneberg darüber informiert, dass ich auch für eine erneute Kandidatur bei der kommenden Bundestagswahl nicht zur Verfügung stehe."

Als Hauptgrund für seinen überraschenden Rückzug nennt Kühnert demnach seinen gesundheitlichen Zustand:

"Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden."

Am Tag seiner Rücktrittsbestätigung über die Medien erscheint beim Hamburger Spiegel ein weiterer Artikel zur Person. Dort heißt es einleitend:

"Äußerung über muslimische Männer: Berliner SPD-Politiker wirft Kühnert Rassismus vor – und sorgt mit Foto für Aufregung. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte von homophoben Sprüchen muslimischer Männer berichtet. Nun kritisiert ihn sein Parteifreund, der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano."

Kühnert erlebe laut einem Interview in Berlin regelmäßig, dass es "aus muslimisch gelesenen Männergruppen häufiger zu einem homophoben Spruch" gegen seine Person komme. Für ihn sei der Großteil der Muslime "nicht homophob, aber die, die es sind, schränken meine Freiheit ein und haben kein Recht darauf", so Kühnert, der dazu "nicht schweigen wolle".

Ricarda Lang von den Grünen zeigte sich bestürzt über die Entscheidung von Kühnert:

"Puh. Kevin Kühnert ist einer der klügsten und schlagfertigsten Politiker, die ich kennen lernen durfte. Und er zeigt gerade auch in dieser Situation, dass es ihm um die Sache geht und nicht um sich selbst. Er wird fehlen, als Politiker ‒ und mir persönlich auch als Freund."

Grünen-Politikerin Göring-Eckhardt stellt ähnlich lautend zum Rücktritt fest:

"Das ist ein harter Schlag. Für die SPD, aber auch für die deutsche Politik. Kevin Kühnert ist einer der klügsten seiner Generation. Ich wünsche ihm alle Kraft für seine Genesung."

Seitens des Ampelpartners FDP schrieb die EU-Abgeordnete Strack-Zimmermann:

"Der politische Betrieb kann ein hässlicher Raubbau sein. Egal, was einen politisch trennt - wenn es um die Gesundheit geht, wird fast alles zweitrangig. Ich wünsche Kevin Kühnert von Herzen alles Gute und eine vollständige Genesung."

Die Bild-Zeitung berichtet, dass "nur ein ganz kleiner Zirkel in die Entscheidung eingeweiht" wurde, so Informanten des Springer-Blatts. Selbst "führende Genossen" wurden demnach "von dem Rücktritt kalt erwischt". Laut Bild-Informationen werden sich gegen 14:45 Uhr die SPD-Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil der Hauptstadtpresse in einer Pressekonferenz stellen.

In einem Spiegel-Interview vom 4. Oktober, gefragt nach den potenziellen Wahlchancen der SPD für die kommende Bundestagswahl, gab er bereits ohne weitere Erläuterungen zu Protokoll:

"Jeder von uns muss und wird in dieser Kampagne über sich hinauswachsen. Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin."

Die SPD musste zuletzt diverse Wahlverluste verzeichnen, so bei der Europawahl im Juni, wo sie in der Wählergunst auf 13,9 Prozent abstürzte. Beide Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September waren ebenfalls von Verlusten geprägt. Lediglich in Brandenburg hatte die SPD dank der aktiven Wahlkampfhilfe der CDU vor zwei Wochen mit 30,9 Prozent einen Wahlsieg eingefahren.

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