Thüringer Verfassungsgerichtshof gibt CDU größtenteils Recht

Etappensieg für die CDU in Thüringen: Die Verfassungsrichter des Freistaats entschieden im einstweiligen Verfahren, dass über Geschäftsordnungsanträge noch vor der Wahl eines Landtagspräsidenten abgestimmt werden muss. Damit ist der Weg frei für die Wahl eines CDU-Kandidaten noch im ersten Wahlgang am Sonnabend.

Wie erwartet hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaats Thüringen am späten Freitagabend seine Entscheidung über den Eilantrag der CDU-Fraktion im Erfurter Landtag getroffen. 

Nach übereinstimmenden Meldungen der lokalen Presse haben die Richter dem Eilantrag größtenteils stattgegeben. Das berichtet unter anderem die Thüringer Allgemeine unter Berufung auf "Parlamentskreise". Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass es kein exklusives Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion für das Amt des Landtagspräsidenten gibt. Es beruft sich dabei auf die Parlamentsautonomie. Damit dürfen auch andere Fraktionen – entgegen dem Wortlaut der bisher geltenden und mit Gesetzesrang ausgestatteten Geschäftsordnung des Thüringer Landtags – bereits im ersten Wahlgang Kandidaten zur Wahl stellen.

Den Alterspräsidenten des Landtags Jürgen Treutler (AfD) verpflichten die Richter mit ihrer Entscheidung, in der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten die von CDU und BSW beantragte Neufassung der Geschäftsordnung zur Abstimmung zu stellen. Die Thüringer Allgemeine zitiert wie folgt aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs:

"Die Thüringer Verfassung trifft keine Regelung zur Reihenfolge der einzelnen Konstituierungsmaßnahmen. Sie gibt insbesondere nicht vor, dass die Wahl des Landtagspräsidenten noch vor dem Beschluss der Geschäftsordnung zu erfolgen hat."

Die Abgeordneten hätten das "aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten Parlaments- und Geschäftsautonomie" abgeleitete Recht, auch in der konstituierenden Sitzung über die Tagesordnung zu bestimmen und dabei "sowohl die Gegenstände als auch die Reihenfolge der Tagesordnung" festzulegen. Damit sei auch eine Debatte und Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsordnung bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten zulässig, so die Verfassungsrichter.

An die einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichtshofs muss sich Treutler nun am Sonnabend (beziehungsweise wie in Erfurt üblich – Samstag) halten. 

Worin die Verfassungsrichter dem CDU-Eilantrag nicht folgten, wie einige Nachrichtenagenturen melden, ist bislang nicht ersichtlich. Insoweit muss die Veröffentlichung des vollständigen Entscheidungstextes abgewartet werden.

Die richterliche Entscheidung folgt auf den Eklat in der konstituierenden Versammlung des Landtags in Erfurt am Donnerstag. Zu deren Beginn hatte Jürgen Treutler, der als nach Lebensjahren ältester Abgeordneter die Leitung der ersten Sitzung übernommen hatte, angekündigt, dass er ‒ entgegen der von der scheidenden linken Landtagspräsidentin aufgestellten Tagesordnung ‒ auf Änderung der Geschäftsordnung gerichtete Anträge des BSW und der CDU nicht vor der Wahl eines Landtagspräsidenten behandeln lassen wird. Daraufhin unterbrachen Abgeordnete dieser Fraktionen sowie der SPD und der Linken den Alterspräsidenten wiederholt während seiner Eröffnungsrede und forderten die sofortige Feststellung der Beschlussfähigkeit und die Abstimmung über die besagten Geschäftsordnungsanträge.

Mit ihren Anträgen wollen diese Fraktionen erreichen, dass entgegen der bislang geltenden Geschäftsordnung nicht nur die stärkste Fraktion – in der jetzt beginnenden Legislaturperiode ist es die AfD – in den ersten zwei Wahlgängen das Vorschlagsrecht für den Posten des Landtagspräsidenten hat, sondern auch andere Fraktionen. Treutler argumentierte, dass die alte Geschäftsordnung vorerst Gesetzesrang habe (in Thüringen gibt es das sogenannte Geschäftsordnungsgesetz) und über Änderungen der Geschäftsordnung erst nach vollendeter Konstituierung abgestimmt werden könne. 

Wegen permanenter Unruhe und tumultartiger Szenen im Sitzungssaal musste die Sitzung mehrmals für längere Zeit unterbrochen werden, bis die CDU schließlich ankündigte, eine Klärung durch die Verfassungsrichter anzustreben. Die Konstituierung wurde daraufhin auf den Morgen des Sonnabends vertagt.

Die CDU plant, gegen die von der AfD vorgeschlagene Abgeordnete Wiebke Muhsal den eigenen Kandidaten Thadäus König für das Präsidentenamt zur Wahl antreten zu lassen. 

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