Reaktionen aus dem politischen Berlin zum Rücktritt von Lang und Nouripour

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen zerlegt sich gerade komplett. Ausgehend von sinkenden Umfragewerten, mehreren Wahlniederlagen und dem Parteiaustritt des kompletten Grünen Jugendvorstands, begann das Parteibeben mit dem Rücktritt der beiden Vorsitzenden. Die politische Konkurrenz fand nur lobende Worte, bis auf einen.

Die beiden Parteivorsitzenden der Grünen, Omid Nouripour und Ricarda Lang, sind am 25. September zurückgetreten. In ihren Verantwortungsbereich fallen für das Jahr 2024 vier maßgebliche Wahlniederlagen, so geschehen im Juni bei der EU-Wahl (Minus 8,6 Prozent), danach in Sachsen, Thüringen und zuletzt in Brandenburg.

Das politische Berlin reagiert zeitgemäß via X-Reaktionen auf den Rücktritt, des zuvor mehr als selbstbewussten Grünen-Duos. CDU-Hardliner Roderich Kiesewetter fand Worte des Bedauerns und der Sympathie:

Die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann erläuterte und belehrte in gewohnt lehrerhafter Manier:

"Ich habe Respekt vor der Entscheidung von Omid Nouripour und Ricarda Lang und danke für die menschlich angenehme Zusammenarbeit. Der anscheinend angelaufene Erneuerungsprozess ist ein innerparteilicher Prozess der Grünen. Jeder Akteur muss sich genau überlegen, welche Konsequenzen er aus der aktuellen Situation zieht. Und dann muss gehandelt werden – in die eine oder andere Richtung. Aber das öffentliche Geblubber und Geraune muss jetzt aufhören. Das ist den Menschen nicht mehr vermittelbar."

Ob sie dabei mit "Geblubber" und dem Hinweis auf mögliche Konsequenzen ihren Parteivorsitzenden Christian Lindner meinte, ist rein spekulativ. Die Partei des amtierenden Finanzministers erreichte in Brandenburg ein Ergebnis von desaströsen 0,83 Prozent. Lindner kommentierte den Rücktritt mit erwartbaren politischen Alltagsfloskeln:

"Respekt an Ricarda Land und Omid Nouripour. Die Zusammenarbeit war menschlich immer fair. Wir sind gespannt, ob unter neuer Führung ein neuer Kurs entsteht und welche Auswirkungen er auf die Regierung hat. Wir müssen zur Sacharbeit kommen. Das Land hat keine Zeit zu verlieren."

Der Grünen-Minister Cem Özdemir äußerte sich ähnlich:

"Ich habe großen Respekt vor dem Rücktritt des Vorstands meiner Partei. Danke, Ricarda Lang, Omid Nouripour und den weiteren für diesen Mut zur richtigen Zeit. Nicht die Person oder die Partei, sondern das Land an erste Stelle zu setzen – genau darum geht es jetzt." 

Auch Parteikollegin Katharina Schulze aus Bayern fiel nicht mehr ein: "Respekt vor diesem Schritt und Danke für eure Arbeit für die Menschen im Land und für unsere Partei". Die Grünen-Kollegen Janosch Dahmen und Konstantin von Notz schwiegen auffällig zum politischen Tagesereignis der Stunde. Von Notz "repostete" dabei die Wahrnehmung des "Grünen-Verstehers" und CDU-Mitglieds Ruprecht Polenz:

"Danke an Ricarda Lang und Omid Nouripour für die unbeirrte Unterstützung der Ukraine. Es hat Gründe, warum die Grünen zur Zielscheibe von Desinformationskampagnen des Kreml geworden sind. Auch Ihre Nachfolger sollten sich dadurch nicht beirren lassen. Alles Gute für die Zukunft."

Kritische X-Profile erinnerten an widersprüchliche Dynamiken, in Bezug auf Ricarda Lang. Ihre Nominierung zur "Aufsteigerin des Jahres" erfolgte einen Tag nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der EU-Wahl:

Bild-Frontberichterstatter Paul Ronzheimer erklärte empathisch in seinem X-Posting, auffällig Nouripour negierend:

"Egal, was man politisch über Ricarda Lang und die Entscheidungen der Grünen denkt: Wahnsinn, welchen Hass sie in den sozialen Medien ertragen musste und ertragen hat in den vergangenen Jahren. Als DAS Feindbild von Rechtspopulisten, jeden Tag höchstpersönlichen Anfeindungen ausgesetzt zu sein, kann nicht spurlos an einem vorbeigehen."

Der Autor und Spiegel-Kolumnist Hasnain Kazim stellte fest:

Die ARD-Tagesschau kommentierte:

"Ricarda Lang und Omid Nouripour haben also verstanden, dass sie der Partei nicht mehr helfen können. Ihre Analyse: messerscharf und schonungslos. Die Grünen stecken wahrhaftig in einer schlimmen Krise."

Alleinig der Bayerische "Krawallminister" Markus Söder wollte poltern und den mehrheitlich wohlwollenden Bekundungen einen Kontrapunkt setzen. Die Wahlkampfgesamtabrechnung mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen lautete gewohnt offensiv:

"Ricarda Lang und Omid Nouripour sind nur die Bauernopfer der Grünen. Der schlechte Regierungsstil und vor allem die katastrophale Wirtschaftspolitik sind der eigentliche Grund für die Wahlergebnisse der Grünen. Das Gesicht dafür ist Robert Habeck. Auch er sollte zurücktreten. Er hat als Wirtschaftsminister versagt. Die Grünen setzen nur auf Ideologie statt auf Vernunft. Der Wirtschaft geht es schlecht und die Energiepreise sind viel zu hoch… Insgesamt zeigt sich der Zerfall der Ampel. Diese Bundesregierung funktioniert einfach nicht. Es braucht Neuwahlen. Für uns ist klar: Eine Beteiligung der Grünen in der nächsten Bundesregierung wird es mit der CSU nicht geben. Wir sagen klar Nein zu Schwarz-Grün."

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