Trotz breiten Widerstands seitens der Bürger und der Lokalpolitik hält das Land Niedersachsen an den Plänen zur Umsetzung einer geplanten Notunterkunft für Geflüchtete im niedersächsischen Ahlhorn fest. Die Landesaufnahmebehörde setzt "auf ein Miteinander mit Bürgern", so der NDR. Zu den Gegnern des politischen Projekts gehört ein Bürgerverein sowie ein Parteienbündnis von AfD bis Grünen. Im Ort mache sich laut Medienberichten "ein Gefühl der Überforderung" breit.
Bereits im Vorjahr titelte die Taz-Zeitung zu den Ereignissen konfrontativer Asylpolitik:
"Protest gegen Geflüchtetenunterkunft. Im niedersächsischen Ahlhorn wehren sich alle von AfD bis Grünen gegen Geflüchtete. Die konkurrieren mit Arbeitsmigranten um Wohnraum und Akzeptanz."
Das zuständige Landesinnenministerium hatte den Bürgern via Lokalpolitik Ende vergangenen Jahres zugesichert, bis Ende 2023 "eine Entscheidung in der Sache treffen zu wollen", so die Kreiszeitung erläuternd. Die Welt berichtet zu den kontrovers wahrgenommenen Plänen:
"Der – geplante – 'Wohnpark' erstreckt sich über Kilometer, Volleyballfelder und Turnhallen liegen auf dem Gelände eines ehemaligen Fliegerhorsts, große Wohnhäuser und ein kleiner Supermarkt, dazu eine eigene Bushaltestelle vor dem Eingangstor. Es ist so etwas wie ein Dorf im Dorf."
Die Vorsitzende des Bürgervereins erklärt der Zeitung zu den Gründen des Protestes:
"In unserem Ort leben schon so viele ausländische Mitmenschen. Wir können diese Aufgabe nicht auch noch bewältigen."
Der Bürgerverein befürchtet in einer Mitteilung an die Politik: Sollte "ein Ort wie Ahlhorn, der bereits einen sehr hohen Migrationsanteil hat, weiter belastet werden, steigt das Risiko für soziale Spannungen".
Der militärische Flugbetrieb auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände wurde im Jahr 2005 beendet. Seitdem baut eine "Betreibergesellschaft das Gelände zu einem Technologie-, Logistik- und Gewerbepark" um. Die Kreiszeitung informiert zu den Realitäten im Ort, bezogen auf die Pläne von weiteren 530 Asylsuchenden in der Kleinstadt:
"Dies in Kenntnis der derzeitigen Bevölkerungssituation in Ahlhorn. Die Gemeinde geht von einem Ausländeranteil von etwa 55 Prozent aus."
Dazu komme ein beträchtlicher Teil von Deutschen mit Migrationshintergrund "und, so zeige die Erfahrung, oftmals geringen Deutsch-Kenntnissen". Wegen des großen Integrationsbedarfs erhält der Ort "sogar einen Millionenbetrag aus einem Förderprogramm des Bundes". Die zuständige Vertreterin für Gemeinwesen gibt zu Protokoll, dass trotz des bemühten und guten Miteinanders, die "rumänische Community sehr unter sich bleibe: "Wir kommen an diese Menschen kaum heran". Der Ortsteil Ahlhorn, zur Gemeinde Großenkneten gehörend, hat rund 8.500 Einwohner.
Der Welt-Artikel dokumentiert:
"Auf einem Teil des Geländes leben allerdings schon jetzt mehrere Hundert Arbeitsmigranten. Sie arbeiten etwa in der großen Putenschlachterei der Gegend, andere pflücken saisonal Erdbeeren oder verdingen sich in der Landwirtschaft. Etwas mehr als 8.500 Einwohner sind in Ahlhorn gemeldet – knapp ein Viertel von ihnen sind rumänische Arbeiter."
Die AfD, die im Gemeinderat über zwei Sitze verfügt, lehnte in einer Pressemitteilung die Notunterkunft im Wohnpark ab. Diese werde "die extrem angespannte Lage in Ahlhorn weiter verschärfen". Auf Welt-Anfrage teilte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen mit, dass die Partei nicht "verhindern könnte, dass die AfD im Gemeinderat mitstimmt".
Bei den Gemeindewahlen im Jahr 2021 stimmten 35 Prozent für die CDU, 22 Prozent für die SPD und 14 Prozent für die Grünen. Die AfD erhielt 6,1 Prozent. Seitens der Grünen heißt es zur "Kooperation" mit der AfD:
"Hauptgrund für die Zustimmung zur Resolution sei für die Grünen der 'menschenverachtende Kapitalismus' des Betreibers des Wohnparks gewesen. Dessen Konzept sei es, die Arbeitsmigranten, die bisher auf dem Gelände wohnten, gegen Geflüchtete 'auszutauschen', weil diese mehr Geld in die Kassen spülten."
Bürgermeister Thorsten Schmidtke (SPD) erklärt, dass die Gemeinde und auch der Landkreis samt Alternativvorschlägen "viel probiert hätten, um die Landesregierung zu einem Umdenken zu bewegen". Ohne Erfolg.
Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, die zuständig ist für die Unterbringung von Asylbewerbern und Migranten, erklärt auf Welt-Anfrage:
"Man plane, in Ahlhorn 'Streetworker' einzusetzen. Diese stünden dann 'den Anwohnerinnen und Anwohnern, den geflüchteten Menschen, aber auch den Geschäftsleuten' für Fragen und Anregungen zur Verfügung."
Bei einer Bürgerversammlung im vergangenen Jahr, wären vornehmlich Bedenken und Kritik seitens der Anwesenden geäußert worden, so der Bürgermeister. Die ersten drei Wortbeiträge gegen die Unterkunft kamen dabei "allesamt von Ahlhornern mit Einwanderungsgeschichte".
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