"Russenpropaganda": Berliner Zeitung reagiert auf Vorwürfe des Bayerischen Verfassungsschutzes

Die Berliner Zeitung wird in einer Publikation des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zum Thema "Russenpropaganda" in Deutschland als mitverantwortliches Medium gelistet. Der Chefredakteur der Zeitung stellt in einem Kommentar klar: "Auch der Bayerische Verfassungsschutz steht nicht über dem Grundgesetz."

Am 12. August informierte die Webseite des Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) über die Veröffentlichung einer Publikation, in der "interne Details" dokumentierter und ausgewerteter Inhalte zu "russischen Desinformationskampagnen" aufgelistet sind. Unter anderem werden dabei die Berliner Zeitung und der Freitag aus dem Bereich etablierter Medien erwähnt. Zudem alternative Medienblogs wie Tichys Einblick und Compact oder die Webseiten der RT-Gastautoren Uli Gellermann (Rationalgalerie) und Tom J. Wellbrock (Neulandrebellen). Tomasz Kurianowicz, Chefredakteur der Berliner Zeitung, reagiert in einem Kommentar auf die Listung seiner Zeitung und die formulierten Unterstellungen.

Kurianowicz erinnert einleitend, dass die ursprüngliche Aufgabe des Verfassungsschutzes lautete, "die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu schützen". Er soll dabei "Informationen zu extremistischen und terroristischen Bestrebungen sammeln sowie Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste beobachten und verhindern", soweit die Theorie. Für den Chefredakteur der Berliner Zeitung "löst sich der Verfassungsschutz offenbar von diesem Auftrag."

Kurianowicz erklärt den Lesern, zusammen mit dem stellvertretenden Chefredakteur Moritz Eichhorn, den redaktionell wahrgenommenen Status quo bezogen auf die aktuelle Situation zum Thema Pressefreiheit in Deutschland:

"Mittlerweile werden auch freie und unabhängige Medien angegriffen und auf Verdachtslisten gesetzt."

Missliebige Print- wie Onlinemedien, inklusive der Macher und Initiatoren, würden dabei in der BayLfV-Veröffentlichung als "potenzielles russisches Propagandawerkzeug" deklariert und diskreditiert. Der Kommentar moniert nachdrücklich:

"Damit nimmt der Verfassungsschutz eine falsche Einordnung der Berliner Zeitung vor, die nicht nur unwahr, sondern auch rufschädigend und verleumderisch ist. Belege, dass Nachrichten der Berliner Zeitung 'anscheinend grundsätzlich' ins russische Narrativ passen, werden vom Verfassungsschutz nicht mitgeliefert."

Die Redaktion erkenne die kalkulierte Absicht "rufschädigender Unterstellungen" der Bayerischen Faeser-Behörde, die einzig "der medialen Konkurrenz" dazu dienen würden, die Berliner Zeitung "anzugreifen und deren Mitarbeiter zu diskreditieren". Dies sei ein "skandalöser Vorgang, der von einer staatlichen Behörde gegen ein unabhängiges Medienhaus ins Rollen gebracht wurde." Weiter heißt es verteidigend, zu den Vorwürfen einer inhaltlichen Nähe zu Russland:

"Die Debattenbeiträge wiederum, die erscheinen, werden im Geiste eines offenen Austauschs kuratiert. Dabei publizieren wir immer wieder auch Texte, die Haltungen wiedergeben, die von großen Teilen der Bevölkerung geteilt werden, obwohl sie in vielen Medien kaum Berücksichtigung finden – auch wenn sie eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben."

Dieser "gewaltfreie Austausch" von "manchmal auch widersprechenden Argumenten und Positionen" würde den "Wesenskern einer gesunden Demokratie darstellen." Themenbezogene Veröffentlichungen stellen dabei einen "notwendigen Schritt in der Verständigung diverser Interessensgruppen und Bevölkerungsschichten, die in der Gesamtheit eine Gesellschaft ausmachen und im Einzelnen in ihrer Meinungsfindung und in ihrer Meinungsäußerung nicht unterdrückt werden sollten." Die Redaktion möchte zudem festgestellt wissen:

"Dass russische Akteure Teile unserer Berichterstattung aufgreifen und verbreiten, kann nicht ernsthaft als Beleg dafür dienen, dass die Berliner Zeitung 'anscheinend grundsätzlich' Nachrichten mit russischem Narrativ publiziert. Es wird verkannt, dass nicht jede Nachricht, nur weil sie das bevorzugte Narrativ von ukrainischen Botschaftern konterkariert, gleich russische Propaganda sein muss."

Und weiter:

"Nicht jeder Meinungsbeitrag, der sich für Verhandlungen stark macht, muss gleich Kremlsprech sein. Oder bedient der Bundeskanzler Olaf Scholz russische Narrative, wenn er zu Verhandlungen aufruft?"

Die Redaktion habe zudem den Bayerischen Verfassungsschutz aufgefordert, "uns Belege für die Behauptungen vorzulegen", da im Rahmen der Publikation zu allen gelisteten Medien und Blogs keinerlei Quellen oder Beispiele präsentiert worden seien.

Final empfiehlt der Artikel "sowohl dem Verfassungsschutz als auch der Konkurrenz", nochmals im Grundgesetz Artikel 5 nachzulesen:

"Jeder hat das Recht, seine Meinung (...) frei zu äußern (…). Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung (...) werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

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