Berlins verdreckte Örtchen: Die Rückkehr des Plumpsklos in den öffentlichen Raum

Finanziert wird das Projekt mit 2,6 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds Berlins: Toiletten ohne Anschluss an Kanalisation und Trinkwasser – Plumpsklos eben. Das Benutzererlebnis ist begrenzt. Vermarktet werden die Toiletten als ökologische Hightech-Errungenschaft.

Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, um die angebliche Rückständigkeit Russlands zu belegen, lautet, in Russland verrichteten Millionen von Menschen ihr tägliches Geschäft auf dem Plumpsklo. Das Gerücht hält sich vor allem unter jenen hartnäckig, die noch nie in Russland waren. Gefüttert wird es von den Medien des deutschen Mainstreams. So wiederholte beispielsweise der Nachrichtensender ntv Anfang des Jahres die Behauptung, es gebe in Russland große Defizite im sanitären Bereich.

Das Argument ist allerdings noch aus einem anderen Grund einigermaßen erstaunlich: Aktuell feiert man in Deutschland die Wiederkehr des Plumpsklos als große ökologische Errungenschaft. Es funktioniert ohne Anschluss an die Kanalisation, verschwendet kein Trinkwasser, kommt daher auch ohne Wasseranschluss aus und kann daher ohne großen Aufwand überall aufgestellt werden. Natürlich heißen sie nicht Plumpsklo – das wäre zu profan. Neben der Plumpsklo-Variante mit viel Chemie, der Dixi-Toilette, haben sich inzwischen auch sogenannte EcoToiletten etabliert. EcoToilette klingt besser als Plumpsklo, auch wenn das Prinzip das Gleiche ist – die Gravitation ist der zentrale Wirkmechanismus.

EcoToiletten gibt es inzwischen bundesweit. Bei den Aufstellern ganz vorne mit dabei ist Berlin. Dort wurde gleich an mehreren Standorten die umweltfreundliche Sanitärtechnik der neuesten Generation installiert. Mit – wie das in Deutschland üblich ist – gravierenden Nebenwirkungen. So berichtet die Welt, die in Berlin am Kottbusser Tor aufgestellte Toilette, in der alle drei in Deutschland existierenden Geschlechter in sittsam voneinander getrennten Kabinen ihr Geschäft verrichten können, sei unbrauchbar, dafür aber teuer. Die öffentliche Toilette sei vermüllt und verdreckt. Offensichtlich werden die Kabinen zudem zum Drogenkonsum genutzt. Die Drogenszene ist nur wenige Schritte entfernt. Ab und zu finden sich Übernachtungsgäste ein.

Ähnliches wird von anderen Standorten berichtet. In den in Neukölln installierten Anlagen finden sich in den Toiletten regelmäßig gebrauchte Spritzbestecke. Die Anlagen selbst sind in einem Zustand, dass man davon absieht, irgendeine Armatur auch nur zu berühren.

Die Rückkehr des Plumpsklos in den öffentlichen Raum finanziert Berlin mit 2,6 Millionen Euro aus dem Innovationsförderfonds. Schon aus diesem Grund würde es sich verbieten, russische Plumpsklos selbst dann für ein Zeichen der Rückständigkeit zu halten, wenn es sie denn in nennenswerten Ausmaß gäbe. Denn was in Deutschland als hochinnovativ, fortschrittlich und dem Umweltschutz förderlich gilt, kann an anderen Orten der Welt nicht als Defizit interpretiert werden, oder?

Mehr zum Thema – Berlin-Schöneberg: Mann erschossen, zwei weitere verletzt