Auswärtiges Amt in Erklärungsnot: Personalwechsel und Millionen-Aufträge bei digitalen Visa

Das Auswärtige Amt will die Visaverfahren in den Botschaften weltweit digitalisieren. Eine wichtige Rolle dabei spielt eine Berliner Beratungsfirma. Nun wurde bekannt, dass eine Mitarbeiterin des Ministeriums zu der Firma gewechselt ist – kurz vor der Erteilung eines großen Auftrags.

Ein fragwürdiger Personalwechsel sorgt im Auswärtigen Amt von Ministerin Annalena Baerbock für Unruhe. Es geht um das "Auslandsportal" einem der Lieblingsprojekte der Grünen-Ministerin. Über dieses Portal soll die Visavergabe an deutschen Botschaften in der ganzen Welt digital abgewickelt werden. Im Oktober soll das Projekt auf dem "Digital-Gipfel" der Bundesregierung präsentiert werden. Eine Beta-Version soll bereits seit Juni 2022 laufen.

Das zum Springerkonzern gehörende Portal Business Insider berichtet in diesem Zusammenhang von einem zweifelhaften Personalwechsel. Demnach wechselte eine langjährige Mitarbeiterin des Ministeriums im Dezember 2023 zu dem externen Dienstleister Init AG. Zuvor war die Frau beim Auswärtigen Amt als IT-Koordinatorin im Digital-Referat mit dem "Auslandsportal" befasst.

Seit knapp neun Monaten arbeitet sie nun als leitende Mitarbeiterin der Beratungsfirma weiter an dem Projekt – in enger Abstimmung mit ihrer früheren Abteilung. Pikant: Im Frühjahr 2024, also wenige Monate nach dem Wechsel, verbuchte die Init AG Aufträge vom Auswärtigen Amt in Höhe von fast sechs Millionen Euro.

Das Ministerium wollte sich gegenüber dem Business Insider nicht offiziell äußern. Es erklärte nur, dass bei der Auftragsvergabe "alle einschlägigen vergaberechtlichen Regeln eingehalten" worden seien. Das Portal zitierte Quellen aus Regierungskreisen mit der Aussage, das Ministerium sehe kein Problem, weil die betreffende Person als Mitarbeiterin des gehobenen Diensts nicht entscheidungsbefugt gewesen sei. Damit ist wohl gemeint, dass sie nicht an der Auftragsvergabe beteiligt war.

Zur Prüfung möglicher Interessenkonflikte äußerte sich das Auswärtige Amt gegenüber dem Business Insider trotz mehrfacher Nachfrage nicht. Auch zu den Zahlungen an Init gab es keine Auskunft. Das Portal berichtet unter Berufung auf interne Quellen im Amt ("hinter vorgehaltener Hand"), dass die Firma für das Projekt insgesamt zehn Millionen Euro erhalten soll. Sechs Millionen davon wurden – bereits erwähnt – erst nach dem Seitenwechsel der Mitarbeiterin beauftragt. Die Frage, ob das ursprüngliche Budget überschritten wurde, ließ das Ministerium ebenfalls unbeantwortet.

Der Business Insider verwies noch auf eine weitere Skurrilität des Falles. Demnach habe das Auswärtige Amt nach außen hin vehement beteuert, dass Init für das "Auslandsportal" gar keine Beratungsleistungen erbringe – intern allerdings die Aufgaben des Unternehmens explizit als Beratungsleistungen klassifiziert. Konkret sei von interner "strategischer Beratung und Umsetzungsbegleitung" die Rede. Offiziell erklärte das Ministerium, dass Init keine Beratungsleistungen erbringe, sondern nur "operativ die Umsetzung der Visadigitalisierung" unterstütze.

Das Ministerium, so die Schlussfolgerung des Portals, sei bemüht, jeden Verdacht von Klüngel und der Nähe zur Berateraffäre im Bundesinnenministerium zu vermeiden. In diese soll Init ebenfalls involviert sein. Das Unternehmen selbst betonte lediglich, dass die neue leitende Mitarbeiterin nichts mit der Auftragsvergabe an das Unternehmen zu tun gehabt habe.

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