Gestern stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen des Sommerinterviews auf der Bundespressekonferenz den Fragen von Journalisten.
Scholz wurde mit einem für die deutsche Nachrichtenlandschaft typischen und daher vorhersehbaren Spektrum an Fragen konfrontiert. Daher zunächst das, was nicht gefragt wurde: Es gab keine Frage zum Ermittlungsstand bezüglich des Anschlags auf Nord Stream. Zu Corona und einer Aufarbeitung der Corona-Repressalien durch die Bundesregierung fand sich ebenfalls kein Fragesteller in den Reihen der Hauptstadtjournalisten.
Was dagegen thematisiert wurde, war der gesellschaftliche Zusammenhalt. Um Zusammenhalt zu erreichen, dürfe man die Debatte nicht von Spaltern bestimmen lassen, führte Scholz aus.
"Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir alles dafür tun, dass unsere Gesellschaft zusammenhält, und dass wir darauf setzen, dass wir gemeinsam eine gute Zukunft gewinnen können. Das halte ich im Übrigen für das entscheidende Instrument. Wir werden nur dann zusammenbleiben, wenn man sich gemeinsam vorstellen kann, dass wir eine gute Zukunft erreichen können."
Die Bundesregierung habe für Wachstum, technologische Modernisierung und Investitionen in die Infrastruktur gesorgt. Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei weiter vorangebracht worden, glaubt Scholz.
"Wir haben es geschafft, eine Wachstumsinitiative für mehr Arbeitsplätze und für technologische Modernisierung auf den Weg zu bringen. Wir haben es geschafft, dass wir in unsere Infrastruktur investieren können, und zwar in umfassendem Maße. Wir haben es geschafft, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter vorangebracht werden kann und der Sozialstaat die Demokratie in Deutschland weiterhin stabil hält und die Lebensperspektiven so vieler Bürgerinnen und Bürger sichert …", meint der Kanzler.
An der weiteren Unterstützung der Ukraine und dem eingeschlagenen Kurs, den Konflikt durch Waffenlieferungen zu entscheiden, hält Scholz fest. Der Regierungschef will dabei die Unterstützung genau austarieren, sodass die Ukraine zwar umfassend mit Waffen versorgt, dabei aber das Risiko einer direkten Konfrontation zwischen Russland und NATO vermieden wird. Scholz meint, er könne dies als deutscher Kanzler leisten.
"Wir unterstützen die Ukraine so umfassend, wie das jetzt erforderlich und auch notwendig ist. Gleichzeitig sind alle unsere Entscheidungen so abgewogen und so getroffen, dass es nicht zu einer Eskalation des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO kommt."
Scholz hält dabei am Narrativ fest, Russland habe grundlos die Ukraine "überfallen". Zudem wirft er Russland vor, das Land sei einseitig aus Rüstungskontrollabkommen ausgestiegen. Es brauche daher Abschreckung und damit die Stationierung von US-Mittelstrecken-Waffen auf deutschem Boden.
"Das, was uns heute und schon seit langer Zeit passiert, ist der Ausstieg Russlands aus den Rüstungskontrollregimen, die wir im Rahmen der Entspannungspolitik mühselig entwickelt und aufgebaut haben, bei der Willy Brandt und Helmut Schmidt für uns in Deutschland eine ganz zentrale Rolle gespielt haben."
Dass dem Ausstieg Russlands ein Ausstieg der USA vorausging, verschweigt der Kanzler – und die anwesenden Journalisten lassen es ihm durchgehen.
Scholz glaubt, Deutschland sei wirtschaftlich in einem Zustand und allgemein von einer Attraktivität, die es erlaubt, Fachkräfte aus anderen Ländern anzulocken.
"Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? – Die Antwort lautet: Ja. Gleichzeitig sagen wir aber: Wer nicht bleiben kann, muss gehen. – Offenheit und Klarheit, das gehört zusammen."
Die Versuche, ausländische Fachkräfte in großer Zahl anzuwerben, scheitern dabei seit Jahren. Das Problem soll nun mit einem Steuerbonus für ausländische Arbeitskräfte gelöst werden.
Die Regierung unter Olaf Scholz steht vor dem Dilemma, dass einerseits das Wachstum in Deutschland niedrig ist. Für den Juli deutet der Ifo-Index die Rückkehr der Rezession an. Die zuvor gemeldeten Wachstumsraten von 0,2 Prozent können als eher errechnet, denn als tatsächlich erwirtschaftet gelten. Gleichzeitig soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Das verbietet umfassende Investitionen. Der von Scholz angepriesene Wachstumspakt beschränkt sich daher auf Umschichtungen, Bürokratieabbau und kosmetische Maßnahmen. Statt Investitionen kündigt der Bundeskanzler vielmehr an, den Druck auf Bürgergeldempfänger erhöhen zu wollen.
"Dazu gehört natürlich auch immer, dass man durch aktive Arbeitsmarktpolitik diejenigen, die arbeitslos sind und Bürgergeld beziehen, aktiviert. Deshalb haben wir sehr viele konkrete Maßnahmen in unserer Wachstumsinitiative vorgesehen, die ermuntern, eine Beschäftigung aufzunehmen, um es etwas freundlicher zu sagen. Das kann man auch anders formulieren. Letztendlich werden zum Beispiel auch Sanktionen und Meldepflichten verschärft, sodass jeder auch ständig mit seinem Jobcenter in Berührung bleibt und man nachfragen kann: Was ist denn nun? Wo ist dein neuer Arbeitsplatz? Was hast du angenommen? – Das halte ich für richtig."
Damit bleibt der Kanzler der Linie der SPD treu.
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