Der österreichische Politaktivist und frühere Vorsitzende der Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, befindet sich derzeit auf einer Vortragsreise durch Deutschland. Sein Name ist vor allem in Zusammenhang mit dem sogenannten "Geheimtreffen" in Potsdam im November in die Schlagzeilen geraten. Dem 35-Jährigen waren Rechtsextremismus und die Verbreitung menschenverachtender Ideologien vorgeworfen worden. Die Berichterstattung über das Potsdamer Treffen löste in Deutschland eine Welle von Massendemonstrationen "gegen Rechts" aus.
Ende Juni gab Sellner seinen Auftritt bei dem Verein "Staatsreparatur" im Berliner Stadtteil Lichterfelde-Ost bekannt. Er wolle mit dem Publikum über "wichtige Erkenntnisse zur Remigration, zur Reconquista und Strategie der Sammlung" sprechen, teilte er auf X mit. Lichterfelde-Ost gehört zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf im Berliner Südwesten. Der Landesverband der Berliner Linken machte auf seiner Webseite und auf X auf den Vortragstermin aufmerksam.
"Am 12. Juli inszenieren die Faschisten A. Wild (AfD) und M. Sellner (Identitäre Bewegung) die Wiederholung des Potsdamer Geheimtreffens im Büro Wilds", teilte der Verband mit und rief zu einer Gegendemo vor dem Vereinshaus auf. Auch das "Bündnis Steglitz-Zehlendorf-Weltoffen" und der Verein "Omas gegen Rechts" riefen zu Protesten gegen Sellner und Besucher der Veranstaltung auf.
"Wir stellen uns gegen die Einreise dieser Person und gegen die Verbreitung abgrundtief menschenfeindlicher Ideologien direkt in unserer Nachbarschaft", so das Bündnis. Der Ortsverband der Linken rief am Vorabend des Treffens in einem X-Post zur Abschiebung Sellners auf.
Am Freitag hatte die Polizei schon am Nachmittag den Bereich rund um den Verein "Staatsreparatur" in Lichterfelde-Ost weiträumig abgesperrt. Gegen 18 Uhr versammelten sich nach Einschätzung einer Reporterin der Berliner Zeitung auf der Straße etwa eintausend Demonstranten. Kinder, Senioren, Bündnisse gegen rechts und Menschen mit Regenbogen- oder Antifa-Fahnen. Bis zu 200 Beamte waren im Einsatz.
Wie die Berliner Zeitung berichtete, begrüßten die Demonstranten die eintreffenden Besucher des Vereins für "Staatsreparatur" mit lauten Rufen: "Nazis raus!" oder "Haut ab!"
"Die so Angesprochenen trugen nicht selten Masken oder ziehen ihre Kapuzen tief ins Gesicht, als sie das etwas heruntergekommen wirkende Gebäude betreten", schildert die Reporterin, die auch über den Verlauf der Veranstaltung, die Räumlichkeiten, das Aussehen der Besucher, die Witze des Redners und den Geruch in der Luft ausführlich berichtete. Etwa 60 Personen, überwiegend im Seniorenalter, seien zu der Veranstaltung gekommen. Auch ein Welt-Korrespondent war vor Ort, der am nächsten Tag eine ausführliche Reportage über den Vortrag lieferte. Nach seinen Schätzungen standen den 50 bis 60 Besuchern rund 600 Demonstranten gegenüber.
Martin Sellner stellte im Zusammenhang mit seinem Vortrag selbst mehrere Videos ins Netz, die die Anfeindungen gegen ihn und die Besucher seiner Veranstaltung dokumentieren. Auch gab er eine weitere Lesereise nach Deutschland bekannt, die Ende Juli/Anfang August stattfinden soll.
Über die Veranstaltung in Berlin haben auch viele weitere überregionale deutsche Medien wie Tagesspiegel oder DW ausführlich berichtet. Wie die taz feststellt, war das enorme Medieninteresse ("Publicity") für Sellner eher "von Vorteil". Für den Verein "Staatsreparatur" könnte sich laut der Zeitung die Veranstaltung jedoch als Bumerang erweisen.
"Wir haben den Laden im Blick und werden weiterhin so lange Protest organisieren, bis hier nichts mehr stattfindet", sagte der Sprecher des Bündnisses Steglitz-Zehlendorf-Weltoffen gegenüber der taz. "Wir haben die Veranstaltung in den Hinterhof zu den Mülltonnen vertrieben", ergänzte er "grinsend".
Tatsächlich hatte das Bezirksamt am Freitagvormittag eine Brandschutzbegehung am Veranstaltungsort durchgeführt und verfügt, dass sich nur zehn Personen in dem Raum aufhalten dürfen. Deshalb musste der Vortrag im Hinterhof stattfinden. Das führte dazu, dass die Besucher den ständigen "Nazis raus"-Rufen ausgesetzt waren, wie eine ins Netz gestellte Videoaufzeichnung des Vortrages dokumentiert.
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