Bundesagrarminister Cem Özdemir kann sich laut eigenen Vorstellungen "eine leichte Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch" als zeitnahe politische Initiative vorstellen, um darüber den Umbau der Tierhaltung "zu höheren Standards" zu finanzieren. Der Grünen-Politiker reagierte beim Deutschen Bauerntag Ende Juni in Cottbus auf einen Vorschlag des Bauernverbands mit der Ankündigung: "Ich bin bereit dazu". Ziel der Steuererhöhung sei es, die durch politische Vorgaben drohenden Kosten für mehr Tierschutz den Bauern nicht allein aufzudrücken.
Özdemirs Pläne und Ankündigung erläuterte er im Gespräch mit dem Springer-Kanal Welt TV. So sei die Umsetzung "noch in dieser Legislaturperiode" vorgesehen. Özdemir wörtlich während des Interviews auf dem Dach des Springer-Hauses in Berlin:
"Jetzt von den sieben Prozent auf neun Prozent oder zehn Prozent, ich finde, das merken sie kaum, aber das Geld, was wir da einnehmen, wenn ich das reinvestiere in die Ställe, dann haben sie einen Vorteil als Verbraucher."
Auf die Nachfrage des Welt-Moderators, ob am Ende eine Erhöhung auf "neun Prozent oder zehn Prozent" erfolge, erwiderte Özdemir lapidar, "ich bin nicht der Finanzminister, das müssen die ja rechnen". Zu berechnen sei "die Zahl der Ställe, der Tierbesitzer, Nutztierhalter", so der Minister die Herangehensweise darlegend. Die Evaluierung würde bei den "Schweinebesitzern" beginnen, um dann "auf die Rinder bis zu Geflügel"-Halter ausgeweitet zu werden. Ebenso sei das Ziel, "alle Betriebswege" aufzuzeichnen und zu strukturieren. Özdemir wörtlich:
"Wenn wir das Geld gezielt nehmen für den Umbau der Ställe, könnte es dazu beitragen, dass der Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Verbraucher sich erfüllt, dass die Tiere besser gehalten werden."
Die einfordernde Politik wolle "auf diese Weise die Bauern nicht allein lassen, für die sich das rechnen müsse". Der Umbau der Ställe "koste viel Geld, die Landwirte verschuldeten sich zum Teil für Jahrzehnte". Das könnten die Bauern laut Özdemirs Wahrnehmung "nicht aus den Erlösen der Fleischverkäufe finanzieren".
Der Minister hoffe nun auf eine "überparteiliche Mehrheit" im Bundestag, wenn er die Pläne final vorstellt. Zunächst müsse es jedoch "eine Einigung in der Ampel-Koalition geben und dann eine mit der Opposition". Der Minister verriet, dass er "viele in der Union kenne, die sagen: Das könnte ein gangbarer Weg sein, der ist vertretbar". Weitere Pläne des Özdemir-Ministeriums lauten:
Die Verbraucherorganisation Foodwatch erklärte im Anschluss an den Deutschen Bauerntag Ende Juni, wo die nun offiziellen Özdemir-Pläne diskutiert wurden:
"Mehrwertsteuer auf Fleisch rauf, auf Obst und Gemüse runter: Das sollte Cem Özdemir jetzt anpacken. Eine höhere Steuer auf Fleisch ist nicht nur gut für den Klima-, Tier- und Umweltschutz, sondern auch zur Förderung einer gesunden Ernährung."
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte demgegenüber laut dem Zeit-Artikel:
"'Özdemir geht dem Bauernverband auf den Leim'. Ein weiterer Mehrwertsteuersatz für Fleisch wäre ein fauler Kompromiss, das System würde nur noch unübersichtlicher. Klima- und umweltschädliche tierische Produkte würden weiter subventioniert. Besser wäre eine Steuerbefreiung für pflanzliche Produkte."
Der Bundeslandwirtschaftsminister ist seit Jahren als überzeugter Vegetarier bekannt. In einem Bild-Interview aus dem Jahr 2017 gab er zu Protokoll, dass er "als Teenager seine Eltern schockiert hätte, als er Vegetarier wurde".
Der Vater hätte ihm sogar verboten, auf Fleisch zu verzichten. Zu seinem Beweggrund heißt es im Artikel, dass der damalige Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl 2017, zusammen mit Katrin Göring-Eckardt, "Tierfabriken schon immer furchtbar gefunden" hätte.
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