Von Wladislaw Sankin
Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, ein profilierter deutscher Kenner Russlands, ist mit Preis der Gerda Henkel Stiftung ausgezeichnet worden, der seit 2006 verliehen wird und mit 100.000 Euro dotiert ist, berichtete am Dienstag der öffentlich-rechtliche Sender rbb mit Verweis auf "mehrere Nachrichtenagenturen". Nach dem Urteil der Jury prägte der 76-Jährige in seinem langjährigen Schaffen das Verständnis der neueren Geschichte Russlands, der Sowjetunion und des östlichen Europa wesentlich, berichtet der Sender weiter. "Karl Schlögel zeigt auf eindrückliche Weise, dass historische Urteilskraft und stetige kritische Selbstreflexion unerlässlich sind, wenn wir die Konflikte der Gegenwart angemessen verstehen wollen", heißt es in der Begründung der Jury.
Lob gab es dabei auch für den persönlichen Stil in Schlögels Büchern: "Seine Werke verbinden persönliche Reiseerfahrungen und Alltagsbeobachtungen mit profundem historischem Wissen und scharfsinniger Analyse." Das mache die Dinge besonders anschaulich. Das ganze Laudatio auf Schlögels Lebenswerk kann hier nachgelesen werden.
Schlögel ist allerdings nicht nur als Geschichtsforscher bekannt. Spätestens seit Beginn der Ukraine-Krise Ende 2013 tritt er in Medien regelmäßig als notorischer "Putin-Kritiker" in Erscheinung. Dabei schreckte der Professor für Osteuropäische Geschichte vor harschen verbalen Attacken gegen den russischen Präsidenten nicht zurück – wie etwa, Putin sei ein giftiger Zwerg. In den ersten Jahren nach dem sogenannten "Euro"-Maidan in Kiew geiferte Schlögel auch gerne mal gegen die angebliche "Russophilie" der Deutschen und warnte seine Landsleute vor Kontakten zu "toxischen" Russen. In seinen zahlreichen Medienbeiträgen neigte er stets zu besonders radikalen Positionen und stellte damit – wie von der Jury ausdrücklich gelobt – "Fachwissen, Scharfsinn und Urteilskraft" gerne und bewusst in Dienst der aggressivsten Russland-Einpeitscher.
Nach dem von der NATO und dem militant-faschistischen Kiewer Regime provozierten russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 drehte der ohnehin schon sehr reizbare "Russland-Kenner" in seiner verbalen Militanz buchstäblich durch. Seine publizistische Aufgabe sah er nun offenbar darin, den Deutschen die Angst vor einem Nuklearkrieg zu nehmen. "Mir kommt es so vor, dass die Fixierung auf den roten Knopf, den Putin drücken kann, uns irgendwie lähmt", sagte er etwa in einem am 13. März 2022 veröffentlichten Interview. Auch wurde er zu einem gern immer wieder eingeladenen Talk-Show-Gast, wobei er sich in den Studios stets verlässlich in Rage redete.
Uns ist dieser "Historiker" auch als propagandistischer Rammbock gegen Sahra Wagenknecht – damals noch als Spitzenpolitikerin für Die Linke – in Erinnerung. Seine Eskapaden und verbalen Entgleisungen während einer im September ausgestrahlten ARD-Sendung mit Anne Will sind hier dokumentiert. Die ganze Sendung über arbeitete sich Schlögel an der ohnehin in ihrer Position völlig einsamen Wagenknecht ab, bis er irgendwann auch zur Hitler-Keule gegen Putin griff:
Sie, die aus einer antifaschistischen Tradition kommen, sie müssten eigentlich wissen, dass man sehr wohl mit Waffen den Feind niederschlägt. Hitler ist mit den Waffen besiegt worden, und so ist es auch mit Putin.
Mit derlei Attacken gelang es dem Talkshow-Gast schließlich, selbst diese Politikerin einmal aus der Fassung zu bringen, indem sie ihm am Ende der Sendung explizit Niveaulosigkeit vorwarf.
Doch diejenigen, die vielleicht denken, dass derlei Aggressivität den Ruf Schlögels als Wissenschaftler schädigen könnte, irren sich. Die Gerda Henkel Stiftung, die ihren 100.000-Euro-Preis alle zwei Jahre nur an "exzellente und international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verleiht", sieht in Schlögels Bellizismus und seinen Hitler-Vergleichen keineswegs ein Problem.
Im Gegenteil, als Propagandist und Apologet der Dominanz des Westens – auch um Preis der Gefahr eines Weltkrieges – ist Schlögel offenbar für das Kuratorium geradezu der Richtige. Die Verleihung des Preises an solche Personen wie ihn ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass es in Deutschland derzeit auch keine unabhängige Geschichtswissenschaft gibt und dass angesehene Forscher immer mehr als intellektuelle Wegbereiter für ansonsten schwer vermittelbare weltpolitische Entscheidungen ins Feld geschickt werden.
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