Petra Čagalj Sejdi, die asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, hat gefordert, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit möglichst viele von Abschiebung bedrohte Ausländer in Deutschland bleiben können. Im Gespräch mit dem Burda-Magazin Focus erklärt die Grüne:
"Es werden zu viele Menschen abgeschoben, die rechtlich gesehen hierbleiben könnten (...) Wir müssen dazu kommen, dass alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, damit jemand in Deutschland bleiben kann."
Viel zu oft, so Čagalj Sejdi, würden Menschen abgeschoben, "bei denen es noch Alternativen gegeben hätte, die aber aufgrund fehlender Beratung nie in Erwägung gezogen wurden." Die Grünen-Abgeordnete weiter:
"Wenn wir den Spielraum stärker nutzen, kämen wir vielleicht eines Tages an den Punkt, dass wir Abschiebegefängnisse gar nicht bräuchten. Das würde ich mir wünschen."
Die Grüne, so erfährt der Focus-Leser weiter, hatte "vor einiger Zeit" die Abschiebungshaftanstalt in Dresden besucht. Nun nutzte sie das Interview, um Kritik an den dort herrschenden Zuständen zu üben:
"Abschiebehaft ist nicht gleichzusetzen mit Strafhaft. Aber das Leben in dieser Einrichtung ist so wie in einem normalen Gefängnis – mit abgeschlossenen Zellen, ohne Smartphone, kaum Internetnutzung, sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Rechtsberatung, der Kontaktaufnahme, von Besuchen und so weiter."
Ihre Konsequenz: Man brauche Änderungen "bei der höheren Gesetzgebung, damit wir gar nicht erst in die Situation kommen, Menschen in Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam nehmen zu müssen".
Die Politikerin beklagt, dass die Ausländerbehörden nicht in erster Linie als Beratungsstelle fungierten:
"Das große Problem ist, dass die meisten Ausländerbehörden hier nicht beratend auftreten. Und dann hängt alles davon ab: Hat die Person einen guten Anwalt, der weiß, was er machen kann? Wenn die Person keinen guten Anwalt hat und auch niemand aus der Behörde entsprechend berät, dann werden die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Und dann kommt es dazu, dass Menschen abgeschoben werden, die nicht abgeschoben werden müssten."
Statt darauf hinzuweisen, welche Möglichkeiten es für die Ausländer gibt, im Land zu bleiben, würden die Behörden nur bearbeiten, was beantragt wurde. Als Grund dafür deutet die Politikerin "böse Absicht" bei den Bearbeitern an:
"Ich möchte da niemandem böse Absicht unterstellen, aber möglicherweise gibt es so etwas auch, das kann ich nicht ausschließen."
Der Focus-Reporter bemerkt selbst, dass die sächsische Grüne, die in Frankfurt am Main geboren wurde, mit ihren Forderungen angesichts von überforderten Kommunen, Integrationsproblemen und eskalierender Gewaltkriminalität recht einsam dasteht. Er formuliert es wohlwollend so:
"Mit dem Vorstoß setzt sie ganz bewusst einen Kontrapunkt in der aktuellen Debatte um härtere Abschieberegeln und ein verschärftes Asylrecht."
In Sachsen wird im September ein neuer Landtag gewählt. Aktuelle Umfragen sehen die Grünen zwischen fünf und sieben Prozent. Die sächsische Justizministerin Katja Meier, eine Parteifreundin Čagalj Sejdis, forderte unterdessen, entschlossener gegen Extremisten in staatlichen Behörden vorzugehen. Der Wochenzeitung Die Zeit sagte Meier:
"Wir haben es aktuell mit einer Partei zu tun, die zwar demokratisch gewählt wird, die es sich aber zur Aufgabe gemacht hat, unser demokratisches System zum Erodieren zu bringen."
Damit meinte die Ministerin nicht ihre eigene Partei, sondern die AfD, die laut Umfragen derzeit die meiste Zustimmung im Freistaat erfährt.
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