Eine selbstverständliche neue Normalität lautet in der Gegenwart, dass der Fußballbundesliga-Verein Borussia Dortmund (BVB) mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall eine auf drei Jahre angelegte Sponsoren-Partnerschaft eingegangen ist. Die offizielle Verkündung erfolgte am Mittwoch. Die Mitteilung wurde gesellschaftspolitisch kontrovers wahrgenommen und in den sozialen Medien diskutiert. Bundesjustizminister Marco Buschmann stellt sich nun argumentativ verteidigend an die Seite von BVB-Chef Hans-Joachim Watzke. Dieser erklärte, die Fans und die Gesellschaft sollten sich mit "dieser neuen Normalität auseinandersetzen". Für Buschmann ist Bezug nehmend auf das Unternehmen Rheinmetall unmissverständlich klar:
"Heute wissen wir, dass es die Waffen produziert, mit der Freiheit verteidigt wird."
Der FDP-Politiker äußerte sich im Rahmen eines X-Postings. Die gesamte Wahrnehmung zu dem millionenschweren Sponsorendeal zwischen zwei Champions League-Akteuren lautete am 29. Mai:
Buschmann bezog sich eventuell argumentativ auf die Wahrnehmung von BVB-Chef Watzke. Der ließ am Tag der Bekanntmachung wissen:
"Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen."
Die Entscheidung für einen Deal mit Rheinmetall erfolgte, nachdem "die Antwort nach den internen wie externen Beratungen positiv ausfiel, da zum Schutz einer Demokratie auch eine wehrhafte Verteidigung zähle", so das Fußballmagazin Kicker die Vereinsentscheidung zitierend.
Bezug nehmend auf Buschmanns Hinweis, dass der Kriegsprofiteur der Stunde "jahrelang verteufelt wurde" sowie der Formulierung sich nicht "abschreckender Autokraten", erinnerten erste Kommentare in den sozialen Medien an die mehr als kritisierte Realität in Form von nachweislichen Lieferungen des Düsseldorfer Rüstungsunternehmens in fortdauernde Krisen- und Kriegsgebiete.
So informierte unter anderem Die Zeit im April 2017, dem Jahr als im Mai 2017 mit Franz-Josef Jung (CDU) ein ehemaliger Bundesverteidigungsminister und Bundestagsabgeordneter in den Aufsichtsrat der Rheinmetall AG gewählt worden war:
"Dieser Panzerdeal macht Ärger: Rheinmetall will in der Türkei mit Partnern eine Panzerfabrik bauen. Die Opposition kritisiert Lücken in den Ausfuhrkontrollen, die Bundesregierung hält sich heraus."
Zwei Jahre später protestierte die NGO "Greenpeace", deren damalige Chefin Jennifer Morgan heute als beratende Staatssekretärin im grünbesetzten Auswärtigen Amt sitzt, am Rande einer Rheinmetall-Hauptversammlung von Aktionären in Berlin. Das großflächige Transparent zum Protest trug die Aufschrift: "Rheinmetall-Bomben töten im Jemen".
Mehrere Organisationen warfen Rheinmetall zu diesem Zeitpunkt vor, dass eine italienische Konzerntochter Waffen auf die arabische Halbinsel liefere. Ein Artikel erläutert zum Status quo von deutschen Waffenexporten im Jahr 2017:
"Für rein deutsche Produkte gilt ein Exportstopp für Saudi-Arabien, das seit Jahren Krieg im Jemen führt. Kritiker sehen Auslandstöchter als 'Schlupflöcher', die zu schließen seien. Das Wirtschaftsministerium hatte dies im Januar abgelehnt."
Ein Jahr später, im April 2018, informierte dann die DW (zuvor auch Deutsche Welle TV) über folgendes zurückliegendes Ereignis:
"Es geht um einen Luftangriff auf ein Dorf im Nordwesten des Jemen am 8. Oktober 2016. Durch eine Bombe werden in Deir Al-Hajari sechs Menschen getötet, darunter vier Kinder und eine schwangere Frau. In dem Dorf finden Aktivisten der jemenitischen Menschenrechtsorganisation Mwantana Teile einer Lenkbombe vom Typ MK80, auf denen ein Code Hinweise auf den Produzenten RWM Italia auf Sardinien gibt. RWM heißt: "Rheinmetall Waffe Munition" und ist eine Tochterfirma des deutschen Rüstungskonzerns."
Im September 2022 informierte die Webseite "Finanztrends".
"Rheinmetall: Deutliche Kritik! Nachdem es monatelang bis zum Allzeithoch Ende Juni aufwärts ging bei der Rheinmetall-Aktie, ging es seitdem fast 30 Prozent bergab. Hintergrund könnte auch die Kritik sein, nach der Rheinmetall mit der Vorbereitung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in Verbindung gebracht wird. Im russischen Mulino soll Rheinmetall demnach am Bau eines großen Ausbildungszentrums der russischen Armee beteiligt gewesen sein. Das Unternehmen soll noch in 2019 – nach der Annexion der Krim durch Russland – Bauteile geliefert haben."
Die Bundesregierung erkannte dann jedoch im Unternehmen wieder einen zuverlässigen Partner, worüber im Jahr 2023 der "Export von Kriegswaffen im Wert von 20,1 Millionen Euro nach Israel genehmigt" wurde, darunter auch Rheinmetall-Panzermunition. Mitte April 2024 wurde bekannt, dass litauische Behörden und der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall eine Absichtserklärung über den Bau einer Munitionsfabrik abgeschlossen haben.
Die Lieferungen eines Rüstungsunternehmens in Kriegsgebiete sind nachweislich wesentliche Faktoren für Tod, Leid und Elend, in den Augen von Marco Buschmann jedoch "die Waffen, mit der Freiheit verteidigt wird". Zur neuen Normalität deutscher Politik und subjektiver Wahrnehmungen von kognitiven Kriegsbefürwortern gehört daher aktuell auch die missbräuchliche Umdeutung von Realitäten. Exemplarisch im Rahmen eines X-Postings am 27. Mai 2024 durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dargestellt:
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