Mehr als anderthalb Jahre nach dem Anschlag auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 liegen im Westen noch immer keine konkreten Ermittlungsergebnisse vor. Im Gegenteil: von Schweden und Dänemark wurden die Ermittlungen zum Tathergang mittlerweile "ohne Ergebnis" eingestellt. Man habe "keinen Tatverdächtigen" ermitteln können, teilten beispielsweise die schwedischen Behörden zur Begründung lapidar mit.
Auch in Deutschland deutet viel auf eine gezielte Verschleppung der Untersuchungen hin. Zum einen ist die Ostsee aufgrund ihrer strategischen Bedeutung eines der am besten überwachten Binnenmeere der Welt. Zum anderen lehnt die deutsche Bundesregierung eine Kooperation mit der Russischen Föderation strikt ab, obwohl Russland ebenfalls direkt geschädigt wurde. Auch eine unabhängige internationale Untersuchung wird von Deutschland abgelehnt.
Bereits im März des vergangenen Jahres brachte Russland einen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat ein, der eine unabhängige Untersuchung des Anschlags forderte. Der Resolutionsentwurf bekam jedoch nicht die notwendige Unterstützung. Lediglich China und Brasilien votierten für den russischen Vorschlag. Notwendig gewesen wären neun Ja-Stimmen in dem UNO-Gremium.
Ende April dieses Jahres forderte der Ständige Vertreter der Russischen Föderation im UN-Sicherheitsrat Wassili Nebensja erneut eine internationale Zusammenarbeit zur Aufklärung des Terroranschlags:
"Es ist, als wäre ein schweres Verbrechen, ein Mord, begangen worden, und ein Jahr später teilen die Ermittlungsbehörden als Ergebnis mit, das Opfer sei ermordet worden", führte Nebensja in Bezug auf die Einstellung der Ermittlungen durch Schweden und Dänemark aus.
Das ganze Verhalten westlicher Staaten deute darauf hin, dass es "absolut kein Interesse gibt, herauszufinden, wer hinter dem Anschlag steckt", fügte er hinzu.
Unterstützt wird die Forderung nach einer internationalen, unabhängigen Untersuchung weiterhin von der Volksrepublik China. China hat in derselben Sitzung erneut den Vorschlag eingebracht, die Ermittlungen von einer unabhängigen, in der Sache objektiven internationalen Expertenkommission durchführen zu lassen.
"Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, hinter der Verweigerung gegenüber einer internationalen Untersuchung eine versteckte Absicht zu vermuten", sagte der chinesische Vertreter.
Den Eindruck, dass es grundsätzlich am Willen zur tatsächlichen Aufklärung mangelt, vermittelte auch jüngst eine Bundespressekonferenz in Berlin. Auf die Frage, ob die Bundesregierung prinzipiell die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung durch China unterstützen würde, verweigert dort die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Kathrin Deschauer, zunächst schlicht eine Antwort.
Sie verwies den NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg an den Generalbundesanwalt. Der hat allerdings mit einer Entscheidung, ob etwa die Bundesregierung eine internationale Untersuchung unterstützen würde oder nicht, rein gar nichts zu tun. Es folgte ein kleiner Schlagabtausch zwischen Warweg und der Vorsitzenden der Bundespressekonferenz. Warweg bezeichnet die Auskunftsverweigerung der Sprecherin des Auswärtigen Amtes als "unverschämt" – und wurde dafür prompt gerügt. Im Folgenden verwies Deschauer erneut lediglich auf den Generalbundesanwalt und die dort angeblich laufenden Ermittlungen.
"Aus Sicht der Bundesregierung besteht angesichts laufender Ermittlungen, die der Generalbundesanwalt durchführt, keine Notwendigkeit, entsprechende Ermittlungen zu duplizieren."
Das heißt konkret, die Bundesregierung lehnt den Vorschlag Chinas ab, obwohl die bisher angeblich durchgeführten Ermittlungen keinerlei der Öffentlichkeit bekannt gemachte Ergebnisse erbracht haben. Der Verdacht Chinas, es gebe eine versteckte Absicht hinter der Verweigerung gegenüber einer unabhängigen internationalen Untersuchung, wird damit weiter bestärkt.
Seit längerer Zeit besteht der Verdacht, dass die USA an der Anschlagsplanung beteiligt waren. Der renommierte Journalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh berichtete unter Bezugnahme auf eine ihm persönlich bekannte Quelle im Weißen Haus, der amtierende US-Präsident Joe Biden habe den Anschlag beauftragt. Die von Hersh erhobenen Anschuldigungen werden von den Ermittlungsbehörden offenkundig nicht weiter verfolgt.
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