Bei seinem US-Besuch vergangene Woche verkündete Verteidigungsminister Boris Pistorius die militärische Bereitschaft Deutschlands, "die Führung zu übernehmen" – und zwar "weltweit".
Die Wirtschaftsmacht Deutschland soll laut dem Minister auch eine militärische Macht werden ‒ natürlich innerhalb der NATO und unter der Führung der USA, aber eben doch als militärisch starke Führungsmacht: "Deutschland macht die nationale und kollektive Verteidigung zu seiner Priorität – und gestaltet gleichzeitig sein Engagement in anderen Teilen der Welt neu", sagte Pistorius in Washington.
Um das leisten zu können, benötige die Bundesrepublik eine "Art von Wehrpflicht" ‒ wie Pistorius' Pläne zur Wiedereinführung der Wehrpflicht konkret aussehen, können Sie hier nachlesen.
In seiner Grundsatzrede an der Johns Hopkins University in Washington am Donnerstag machte der Minister eine weitere Ankündigung, welche bisher kaum Aufmerksamkeit erhalten hat und die Eingliederung der Bundeswehr in die US-geführte NATO betrifft: Der Großteil der Bundeswehr wird bis 2025 unter NATO-Kommando stehen. Im Wortlaut sagte Pistorius:
"Die Sicherheit unserer Verbündeten ist unsere Sicherheit. Deshalb wird bis zum nächsten Jahr der größte Teil der Bundeswehr unter das Kommando der NATO gestellt."
Pistorius fügte hinzu, dass "etwa 35.000 von ihnen auf den beiden höchsten Bereitschaftsstufen sein werden". Praktisch bedeutet das, dass diese Soldaten künftig einem US-General gehorchen. Denn der verantwortliche Oberbefehlshaber für alle NATO-Operationen ist der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR, Alliierter Oberkommandierender in Europa), der in Personalunion stets zugleich der Kommandeur des US European Command (USEUCOM, Europäisches Kommando der Vereinigten Staaten) ist ‒ und damit immer ein US-amerikanischer General oder Admiral. Gegenwärtig hat diese Position der US-General Christopher Cavoli inne.
In Washington sagte Pistorius zudem, dass sich Berlin weiterhin auf den "Schutz unserer Verbündeten an der Ostflanke der NATO" konzentriere, und verwies auf die jüngsten Schritte Deutschlands, seine militärische Präsenz in der Region zu erhöhen.
Im vergangenen Monat hat Deutschland im Rahmen eines Plans zur Aufstellung einer vollwertigen Panzerbrigade mit 4.800 Soldaten, die bis 2027 dauerhaft in Litauen an der Grenze zu Russland stationiert werden soll, ein Vorauskommando in das baltische Land entsandt. Moskau erklärte daraufhin, der Schritt würde "besondere Maßnahmen" als Reaktion erfordern.
Pistorius bezeichnete bei seinem US-Besuch den Einsatz deutscher Soldaten in Litauen als "beispiellosen Fall in der deutschen Geschichte" und als "klares Signal" an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass "jeder Zentimeter" des NATO-Gebiets verteidigt werde.
Vor seiner Rede an der Johns Hopkins University hatte sich Pistorius mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin getroffen und ihm mitgeteilt, dass Berlin drei in den USA hergestellte HIMARS-Mehrfachraketenwerfer für die Ukraine kauft.
Die Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland mit erheblichen Personal- und Ausrüstungsengpässen in seiner Armee zu kämpfen hat, da viele für die Bundeswehr beschaffte Ersatzgüter zur Unterstützung der Ukraine in ihrem Konflikt mit Russland eingesetzt werden. Der Jahresbericht 2023 der Wehrbeauftragten Eva Högl verdeutlichte, dass die Bundeswehr "altert und schrumpft", mit 20.000 unbesetzten Stellen und einer "sehr hohen" Aussteigerquote. Der Zustand der Bundeswehr sei "zum Teil beschämend", so die Wehrbeauftragte.
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