Von Wladislaw Sankin
Mit einer Initiative der Friedensbewegung sollen die gekappten Partnerbeziehungen nach Russland wiederbelebt und der 8. Mai in der Tradition der Rede Richard von Weizsäckers aus dem Jahr 1985 als "Tag der Befreiung" begangen werden. Mit dem Zitat des damaligen Bundespräsidenten "Lernen Sie miteinander zu leben, nicht gegeneinander" betont die Initiative frieden-links, dass "Frieden in Europa nur mit Russland möglich ist."
Die Initiative besteht aus einem Aktivistennetzwerk innerhalb der Friedensbewegung, um die Publizistin Christiane Reymann und Ex-MdB Wolfgang Gehrcke. Angesichts der Konfrontationspolitik der NATO und der Bundesregierung unterstützt und entwickelt sie Konzepte und Aktionen für friedenspolitische Positionen mit klassisch linkem Anspruch auf parlamentarischer und außerparlamentarischer Ebene und in neuen Konstellationen.
Dem Aufruf haben sich bislang mehr als 1.000 Menschen aus Ost und West angeschlossen. Unter ihnen sind Künstler wie der Schauspieler Rolf Becker oder die Sängerin Gina Pietsch, die Autorin Gabriele Krone-Schmalz, Politiker wie Oskar Lafontaine und Wissenschaftler wie die Professoren Hajo Funke oder Jörg Arnold, Aktive aus der Friedensbewegung von "Stopp Ramstein", NaturwissenschaftlerInnen für den Frieden oder örtliche Friedensforen. Die Unterstützer kommen aus unterschiedlichen Berufen, wie etwa der Kreishandwerksmeister von Dessau-Rößlau, Karl Krökel. Auch die BSW-Politiker Andrej Hunko und Sevim Dağdelen haben den Aufruf unterstützt.
Der Aufruf wird an russische Zeitungen, gesellschaftliche Organisationen sowie wissenschaftliche Institutionen versandt und wurde heute, am 8. Mai, bei vielfältigen Veranstaltungen in Deutschland laut verlesen. Geplant ist auch die Übergabe an den russischen Botschafter, Sergei Netschajew, am russischen Tag des Sieges, dem 9. Mai. Einer der Orte, an dem der Aufruf verlesen wurde, war das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten.
Wegen der Umbaumaßnahmen an der Straße des 17. Juni im Bereich des Brandenburger Tors, die für die Teilnehmer der geplanten Kundgebung überraschenderweise ausgerechnet am 8. Mai begannen, war der Platz vor dem Denkmal schwer zu erreichen. Das Gelände wird aktuell zur Fan-Meile anlässlich der EM 2024 umgestaltet. Alternative Routen waren nicht ausgeschildert und die Teilnehmer mussten sich ihren Weg hin zu dem Kundgebungsort selber suchen.
Ärgerlich waren auch die kürzlich vom Berliner Senat erlassenen Verbote der traditionellen Sieger-Symbole, die auf einer Tafel vor der polizeilichen Absperrung ausgeschildert waren. Einige Teilnehmer wurden wegen des Tragens des Sankt-Georgs-Bandes angehalten und ihre Personalien erfasst. Mit einer Verspätung von 20 Minuten begann schließlich die Kundgebung mit bis zu einhundert Teilnehmern. Der Aufruf von Christiane Reymann wurde verlesen. Unter anderem hieß es:
"Von der Bundesregierung fordern wir: Stopp der Waffenlieferungen in den Ukraine-Krieg, diplomatische Initiativen ihn zu beenden, Schluss mit der Dämonisierung Russlands. Wir wollen kein Deutschland, das kriegstüchtig ist, es muss endlich nachhaltig friedensfähig werden."
Es sei berührend, dass trotz der nazistischen Gräuel so viele Menschen in der Sowjetunion und in Russland bereit waren, den Deutschen Vertrauen entgegenzubringen und gutnachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen. Doch dieses Vertrauen sei nicht erwidert worden:
"Stattdessen dehnt sich die NATO bis an die Grenzen Russlands aus, es soll wieder unser aller Feind werden. Das ist nicht nur geschichtsvergessen, es ist brandgefährlich, bewegen sich doch NATO-Ausdehnung, die schwindelerregende Rüstungsspirale und der Krieg in der Ukraine dicht am Rand eines großen, umfassenden Krieges mit dem Potenzial, Europa in Schutt und Asche zu legen.
Das alles geschieht nicht in unserem Namen!"
Die Initiatorin Christiane Reymann war bei der Veranstaltung anwesend und wir konnten mit ihr sprechen. Genau an dieser Stelle hatte sie bereits vor zwei Monaten, im März, eine emotionale Anti-Kriegs-Rede gehalten. Sie gehört zu den wenigen Medienpersönlichkeiten, die sich offen gegen Russophobie und Geschichtsrevisionismus aussprechen.
Auch bei unserem Gespräch nahm die Publizistin kein Blatt vor dem Mund. Verbote und die Umschreibung der Geschichte zum Nachteil der Siegermacht UdSSR sei eine Schändung des Gedenkens, die mitunter bilderstürmerische Züge annehme. Da große Teile des links-liberalen Establishments die antirussischen Thesen widerspruchslos in ihrem Denken akzeptiert hätten, halte sie das Vorhaben der Bundesregierung, Deutschland und die Deutschen "tüchtig" für einen Krieg gegen Russland zu machen, (leider!) für realistisch. Es sei deshalb insbesondere jetzt an der Zeit, die Gegenstimmen wider diese Politik so laut wie möglich zu erheben.
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