Der Bundestag hat das umstrittene "Selbstbestimmungsgesetz" der Ampelkoalition beschlossen. Damit ist es ab dem 1. November 2024 jedem möglich, sein Geschlecht bei den Behörden alle zwölf Monate ändern zu lassen. 374 Abgeordnete stimmten am Freitag für die Vorlage. 251 Parlamentarier votierten in namentlicher Abstimmung dagegen, elf enthielten sich.
Die umstrittene Neuregelung sieht vor, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. Die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll entfallen. Die Neuregelung soll auch für "nichtbinäre" Personen gelten, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Das bisherige Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden.
Für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können. Jugendliche über 14 Jahren sollen sie mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbst abgeben können. Stimmt dieser nicht zu, soll das Familiengericht die elterliche Zustimmung ersetzen können, "wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht".
Kritiker warfen der Koalition vor, sich mit diesem Gesetz über die biologischen Tatsachen hinwegzusetzen. Die Abgeordnete Sahra Wagenknecht erklärte, dass wie immer bei der Ampel Ideologie über Realität triumphiere. Das Geschlecht werde von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung. Frauenschutzrechte gehörten der Vergangenheit an, wenn sich Männer durch einen bloßen Sprechakt zur Frau erklären können. Das Gesetz stelle die Weichen auch für chirurgische Eingriffe, und das sei verantwortungslos:
"Ihr Gesetz ist frauenfeindlich – und macht Eltern und Kinder zu Versuchskaninchen einer Ideologie."
Dass es im Kriegsfall keine Wahlfreiheit mehr geben soll, zeige, dass die Ampel ihrer eigenen Ideologie letztlich selbst nicht glaube, so Wagenknecht, deren Äußerungen im Plenum für erheblichen Unmut sorgten.
Begeistert zeigten sich dagegen Vertreter der Ampelkoalition. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb nach der Abstimmung auf X:
"Das Gesetz zur Selbstbestimmung des Geschlechtseintrags kommt. Hier bin in umzingelt von Kolleginnen und Kollegen der Grünen, die sich besonders dafür engagiert haben und freuen. Ich teile diese Freude gerne."
Der Grünenpolitiker Sven Lehmann, "Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt", kritisierte die Debatte über das Gesetz. Diese sei "verstörend und verletzend" für Transpersonen. Alle großen Frauenorganisationen würden das Gesetz unterstützen. Dieses Gesetz sei nur in dieser "Fortschrittskoalition" möglich , lobte der Grüne die Ampel.
Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X:
"Wir bringen trans-, intergeschlechtlichen und nicht binären Menschen Respekt entgegen – ohne anderen etwas zu nehmen. So treiben wir die Modernisierung unseres Landes weiter voran. Dazu gehört, Lebensrealitäten anzuerkennen und gesetzlich zu ermöglichen."
Das "Selbstbestimmungsgesetz" enthält ein Offenbarungsverbot, nach welchem es untersagt ist, den früheren Geschlechtseintrag und frühere Vornamen zu offenbaren oder auszuforschen. Wer dagegen verstößt und Betroffene dadurch "absichtlich schädigt", soll eine Ordnungswidrigkeit begehen, die mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro belegt werden kann.
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