Von Susan Bonath
Der deutsche Kriegsetat explodiert, die Rüstungsindustrie kassiert und Reiche scheffeln Milliarden-Subventionen. Doch für die lohnabhängige Masse geht es abwärts. Kinder bleiben Armutsrisiko Nummer eins. Drei Millionen Minderjährige und ihre Familien leben in Deutschland am Existenzminimum. Ihnen versprach die Ampel beim Regierungsantritt Verbesserung. Herausgekommen ist fast nichts, gestritten wird nun um "Peanuts" und vom versprochenen Bürokratieabbau kann keine Rede sein.
Gebremster Sozialstaat für ungebremste Rüstung
Für die Rüstungsindustrie ist der deutsche Sozialstaat sehr verlässlich. In den Taschen ihrer Aktionäre wird das Steuergeld am Ende landen, das in den wachsenden bundesdeutschen Kriegsetat fließt. Über 70 Milliarden Euro, etwa doppelt so viel wie vor zehn Jahren, sollen es 2024 werden. Hinzu kommen wohl zehn Milliarden Euro nebenher für NATO-Sonderposten.
Das scheint alles kein Problem zu sein. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wird nicht müde, immer neue Vorschläge zu verbreiten, wie aus den 80 Milliarden noch mehr zu machen sei. Gespart wird dafür an anderer Stelle: Für Rente, Sozialhilfe, Bürgergeld und Co. gilt die Schuldenbremse, während Steuermilliarden bei den Großkonzernen versickern.
Wie ernst es Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit der ungebremsten Aufrüstung Deutschlands ist, verdeutlichte er jüngst in einem Interview. Das geht zulasten der Masse, von deren Realität sich Minister und Abgeordnete zunehmend entfernen. Ihre Bezüge erklimmen ebenso ungebremst immer neue Höhen.
"Peanuts" für arme Kinder
Über Kinderarmut wird in Deutschland zwar gern philosophiert, doch ihre Existenz fiel erst in Coronazeiten so richtig auf – als arme Schüler häufig mangels technischer Ausstattung im verpflichtenden Homeschooling immer weiter zurückblieben. Mit den Bildungslücken wuchsen die psychischen Erkrankungen bei den Minderjährigen. Dass man nun wirklich endlich gegensteuere, versprach die Ampel bei ihrem Antritt Ende 2021.
Zwölf zusätzliche Milliarden Euro sollten von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen adäquate soziale Teilhabe und weiterführende Bildung ermöglichen. Das ist nicht viel, angesichts dieser schätzungsweise drei Millionen Minderjährigen.
Doch das war bald vom Tisch. Im Sommer letzten Jahres einigten sich schließlich die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP auf einen Bruchteil dessen: 2,4 Milliarden Euro insgesamt für alles und dies erst ab 2025. Auch wenn man es hinbekäme, die Hälfte davon tatsächlich den Bedürftigen zukommen zu lassen, bliebe davon pro Kind ein Jahresplus von 400 Euro – macht 33 Euro im Monat.
Aufgeblasene Repressionsbürokratie
Echte Armutsbekämpfung sähe wohl anders aus. Man könnte von einem populistisch aufgeblasenen Täuschungsmanöver sprechen – mit einem weiter aufgeblasenen Bürokratie-Apparat. Obwohl mit diesem Vorstoß eigentlich Leistungen für Kinder gebündelt und der Zugang dazu für Familien erleichtert werden sollte, hielt man es dann wohl doch für zu kompliziert, das derzeitige Bürokratiemonster umfassend zu entflechten. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) beantragte daher 5.000 zusätzliche Behörden-Arbeitsstellen.
Mit anderen Worten: Eine weitere, komplexe Behördenstruktur mit 5.000 neuen Mitarbeitern soll entstehen, um Anträge zu bearbeiten, das Einkommen der Eltern zu prüfen, Bedarfe festzustellen und so weiter. Das klingt nach einem schikanösen Apparat, nach dem bekannten Spießrutenlaufen bei Arbeitsagenturen, Jobcentern, BAföG-Stellen, Wohngeldämtern oder gesetzlichen Krankenkassen.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, scheint die neuerliche Kritik der FDP daran berechtigt zu sein. Nur zielt sie nicht auf wirkliche Verbesserungen ab, im Gegenteil: Parteichef Lindner steht für weitere "Nullrunden", die angesichts der Inflation tatsächlich Kürzungen wären.
An seiner Seite hat Lindner viele hoch bezahlte "Wirtschafts- und Finanzexperten", unter anderem den Präsidenten des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Clemens Fuest. Der sprach kürzlich deutlich aus, was Lindner meint:
"Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland. Das geht nicht, sondern Kanonen ohne Butter."
Mit anderen Worten: Der deutsche Staat soll aufrüsten und den Ärmeren dafür das letzte bisschen Butter vom Brot nehmen. Kriegsbereitschaft gebe es nur zu dem Preis eines "kleiner ausfallenden Sozialstaats". Mindestlohnarbeiter, Alleinerziehende, altersarme Kassenrentner sollen den Gürtel eben noch enger schnallen, während Großindustrielle abkassieren – eine klassisch neoliberale Denkweise.
Milliarden-Subventionen für Profite
Das Schlaraffenland hingegen existiert sehr wohl: für Superreiche, Großaktionäre und Konzernbosse zum Beispiel. Steuerliche Subventionen an diese fließen so reichlich wie nie. 67,1 Milliarden Euro sieht der Bundeshaushalt dieses Jahr für Wirtschaftssubventionen insgesamt vor – fast 2,5-mal so viel wie im Jahr 2020. Der Markt regelt offensichtlich nicht einmal die Profite für Großkonzerne von ganz allein.
Mit den Problemen, die das Stutzen des Sozialstaats so mit sich bringt, soll indes die Masse ganz allein klarkommen. Wo ein wachsender Teil der Bevölkerung ärmer wird und auf soziale Teilhabe verzichten muss, sinkt der gesellschaftliche Zusammenhalt, erblüht der Neid und steigt die Kriminalität. Das Geschrei nach noch mehr Repressionen gegen Arme wird immer lauter, während sich die Superreichen in der sozialen Hängematte aalen. So stabilisiert die Politik vor allem eines: die neoliberale Hackordnung.
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