Bisher traten vor allem ehemalige Mitglieder der Linken dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) bei. Doch nun bekommt die Partei in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf einen auf den ersten Blick ungewöhnlich Neuzugang: Der FDP-Abgeordnete Christian Schuchert hat an diesem Montag seine bisherige Partei verlassen und sich dem BSW angeschlossen. Dies erklärte Schuchert in einer Pressemitteilung, die der Berliner Zeitung vorliegt.
Dass FDP-Politiker zum BSW wechseln, ist bisher eher selten vorgekommen. Schuchert, der bislang stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP in Charlottenburg-Wilmersdorf war, erklärte, mit seiner Fraktion sei die Zusammenarbeit "überwiegend konstruktiv und ergebnisorientiert verlaufen." Er begründete seinen Wechsel mit der Bundespolitik, der Regierung, der Bundes-FDP und insbesondere dem Kurs der FDP im Ukraine-Krieg. In einer Pressemitteilung teilte Schuchert mit:
"Das 'Fass zum Überlaufen' gebracht hat bei mir die Ernennung von Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann alias 'Oma Courage' alias 'Eurofighterin' zur Spitzenkandidatin für das Europäische Parlament."
Damit bezieht sich Schuchert auf die Kampagne der FDP zur EU-Wahl (RT DE berichtete). Die Rüstungslobbyistin und FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert seit langem verstärkte Waffenlieferungen in die Ukraine. Notwendig seien aber vielmehr "Verhandlung und Diplomatie, ein Waffenstillstand und ein Stopp der Aufrüstung", so Schuchert.
"Ein Krieg gegen die Atommacht Russland ist final nicht zu gewinnen, jeden Tag sterben unnötig auf beiden Seiten Soldaten und Zivilisten."
Zudem weigere er sich, dazu beizutragen, dass Deutschland "kriegstüchtig" werde, wie kürzlich von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert wurde. Schuchert spricht sich darüber hinaus gegen die Sanktionspolitik der Bundesregierung aus. Diese sei "weder vernünftig noch für die Bevölkerung gerecht". Über seinen Austritt aus der FDP sagte Schuchert der Berliner Zeitung:
"Wenn man in so bedeutenden bundespolitischen Fragen grundsätzlich anders denkt, wenn man sich davor sträubt, im Wahlkampf für die Europawahl Plakate aufzuhängen, dann ist der Punkt gekommen, an dem sich die Wege trennen müssen."
Schuchert schreibt außerdem, er sei der Parteigründerin Sahra Wagenknecht "dankbar für ihre Haltung in der Corona-Frage". Sie habe keine Menschen ausgegrenzt oder den "erheblichen Abbau der Grundfreiheiten" befürwortet, sondern "Andersdenkende unterstützt."
Schuchert war 2017 in die FDP eingetreten und gehört der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf seit Oktober 2021 an. Mit seinem Austritt hat die FDP-Fraktion nur noch drei Mitglieder.
Das BSW hatte bisher keinen Abgeordneten in Charlottenburg-Wilmersdorf, was sich mit Schuchert nun jedoch ändert. Der BSW-Landeskoordinator Alexander King erklärte:
"Dass Herr Schuchert von der FDP zum BSW wechselt, unterstreicht noch einmal, dass das BSW gewillt ist, die gesamte politische Gemengelage aufzuwirbeln."
In Berlin zählt das "Bündnis Sahra Wagenknecht" laut King derzeit 55 Mitglieder. Die Parteiführung betont immer wieder, dass das BSW langsam und vor allem kontrolliert wachsen solle.
Am Montag reagierte auch die Berliner FDP auf Schucherts Presserklärung. Der FDP-Bezirksvorsitzende Björn Jotzo und der Fraktionschef Felix Recke-Friedrich schrieben in einem Statement, die Wahlen zur BVV erfolgten "über Parteilisten und nicht über einzelne Personen".
"Es ist daher schon eine Frage des Anstands und der demokratischen Grundregeln, dass Herr Schuchert dem Wählerwillen folgt und dem nachrückenden Kandidaten der FDP die Möglichkeit einräumt, sein Mandat anzutreten."
Jotzo und Recke-Friedrich forderten Schuchert daher auf, das Mandat abzugeben. Man wolle die "vorgeblichen bundespolitischen Gründe" für Schucherts Entscheidung nicht kommentieren, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, in infamer Weise noch einmal nachzutreten. Jotzo und Recke-Friedrich erklärten:
"Der Vorgang zeigt jedoch exemplarisch, wie tief das Gift der Propaganda autokratischer Systeme bereits in Teile der demokratischen Mitte unserer Gesellschaft vorgedrungen ist. Über Krieg und Frieden wird nicht auf kommunaler Ebene entschieden."
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