Der deutsche Journalismus ist in einem schlechten Zustand, geht aus einem Manifest hervor, das Mitarbeiter des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks veröffentlicht haben. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk – als unabhängige Institution gedacht, damit sich historisch gemachte Fehler nicht wiederholen – wiederholt alle historisch gemachten Fehler, ist die Quintessenz der Kritik. Die Berichterstattung ist einseitig, der Diskursraum ist verengt, die Nähe zur Politik ist eng. Die Berichterstattung folgt Vorgaben, bedient Narrative und diskriminiert jene, die von diesen Narrativen abweichen.
Obendrein sind die Arbeitsbedingungen trotz umfassender Finanzierung durch die Beitragszahler schlecht. Es herrsche ein Klima der Angst, so die Kritik. Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Medien haben die Missstände aufgeführt und machen konstruktive Verbesserungsvorschläge.
Die Redakteursausschüsse der öffentlich-rechtlichen Medien weisen die Kritik indes zurück. Es herrsche eine offene Diskussionskultur, sagen sie. Das ZDF lässt ausrichten, man fördere den Pluralismus der Meinungen.
"Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZDF haben nicht nur bei internen Dialogveranstaltungen und in Redaktionskonferenzen jederzeit die Möglichkeit, sich kritisch zu äußern.”
Die ARD dreht den Spieß um. Das Manifest bilde in Teilen die Diskussion ab, die man ohnehin schon führe. Mit anderen Worten: Alles in bester Ordnung.
Das sieht auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) so. Der Verband positioniert sich regelmäßig auf Seiten der Besitzstandswahrer, begrüßt mit Scheinargumenten Zensur und die Einschränkung der Pressefreiheit, erhebt sich selbst zum Maßstab und urteilt, was echter und was kein Journalismus ist. Dieser Linie bleibt er auch in der vom Manifest angestoßenen Diskussion treu.
Die "Medienhasser" seien aus dem Häuschen, beschreibt der DJV die Reaktion. Mit Medienhassern meint der Autor des Kommentars, der Pressesprecher des DJV, Hendrik Zörner, unter anderem Tichys Einblick. Tichys Einblick ist ein Blog des Publizisten Roland Tichy.
Zörner kritisiert ein dort erschienenes Interview der für den RBB arbeitenden, freien Journalistin Annekatrin Mücke, die dort die bestehenden Missstände benennt. Eigentlich ist schon die Tatsache, dass eine "freie Journalistin" fest für einen Sender arbeitet, genug Hinweis auf einen Teil des Problems. Die Redakteure bekommen keine Festanstellung, sondern arbeiten in prekären Arbeitsverhältnisse als sogenannte "feste Freie".
Zörner kennt auch diese Praxis, stört sich jedoch daran nicht. Er stört sich daran, dass Mücke ihr Interview dem "falschen" Medium gegeben hat. Er zitiert in diesem Zusammenhang die zuverlässig unzuverlässige Quelle Wikipedia, um den Blog als "rechtspopulistisch" einzuordnen.
Das hohe Alter der Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bemängelt Zörner ebenso wie die Tatsache, dass viele von ihnen es vorgezogen haben, anonym zu bleiben. Wer kurz vor der Pension steht, traut sich in einem repressiven Umfeld offener aufzutreten als jüngere Kollegen, die mitten im Leben stehen, ist die einfache Erklärung für das von Zörner kritisierte Phänomen.
Schließlich argumentiert der DJV-Sprecher noch über Kontaktschuld. Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen hat das Manifest unterschrieben. Zörner weist ihm eine Nähe zur Zeitung Demokratischer Widerstand nach. Die Zeitung sei eine "Postille". Damit ist Meyen diskreditiert, ist sich Zörner sicher.
Mit anderen Worten: Der DJV weist mit seiner Kritik am Manifest nach, dass alle dort erhobenen Vorwürfe stimmen. Der DJV ist Bestandteil dieses dysfunktionalen deutschen Journalismus. Henrik Zörner hatte das Verbot von RT und Sputnik übrigens ausdrücklich begrüßt, weil mit dem Verbot die Pressefreiheit verteidigt werde.
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