Es sind nicht nur die Abgeordneten der Koalitionspartner, die Bundeskanzler Olaf Scholz nur mühsam bei der Stange halten kann, es sind auch Angehörige seiner eigenen Partei. Bei einer Abstimmung im Europaparlament am Freitag, nur einen Tag nach der Abstimmung über die Taurus-Lieferung im Bundestag, stimmte die Mehrheit der SPD-Parlamentarier für eine Resolution, die unter anderem in Punkt 11 folgenden Satz enthält:
"Das Europäische Parlament … ist der Ansicht, dass es keine selbst auferlegten Beschränkungen der militärischen Unterstützung für die Ukraine geben sollte. … [Es] betont, dass die Ukraine insbesondere hochentwickelte Luftabwehrsysteme, Marschflugkörper mit großer Reichweite wie die Systeme Taurus, Storm Shadow bzw. Scalp usw., moderne Kampfflugzeuge, verschiedene Arten von Artillerie und Munition (insbesondere Artilleriemunition des Kalibers 155 mm) sowie Drohnen und Waffen benötigt, um Angriffe abzuwehren."
Die gesamte Resolution ist ein von Ideologie und keineswegs von Kenntnis oder Friedensbereitschaft geprägter Text; unter anderem wird nach wie vor die Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögenswerte verlangt und dem "Selenskij-Friedensplan" die Unterstützung ausgesprochen. Wie gründlich die historischen Kenntnisse der Europaparlamentarier sind, belegt unter anderem der Vorwurf unter Ziffer 2, Russland habe nach seiner "rechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim" diese "in einen Militärstützpunkt verwandelt". Der Vorwurf wäre an die russische Zarin Katharina II. zu richten, die dies im 18. Jahrhundert tat.
Der Punkt, in dem es um die Taurus geht, wurde vor der Gesamtabstimmung einzeln abgestimmt; schon bei dieser Abstimmung wandte sich die Hälfte der 16 SPD-Abgeordneten dagegen. Dem Protokoll zufolge waren dies die Abgeordneten Burkhardt, Ecke, Geier, Köster, Lange, Repasi, Rudner und Schuster. Die ehemalige Justizministerin Barley enthielt sich, zusammen mit Bischoff. In der Gesamtabstimmung zu dieser Resolution stimmten allerdings nur noch Köster, Rudner und Schuster dagegen – drei von 16 –, die übrigen stimmten zu.
Die Abgeordneten von FDP und Grünen stimmten geschlossen für die Resolution, auch für Punkt 11. Das zeigt, dass nur eine Minderheit der Politiker selbst der SPD sich der Risiken bewusst ist, die eine Lieferung der Taurus hervorruft, und die Ablehnung mittlerweile nur noch von einer Minderheit in der SPD und von Bundeskanzler Olaf Scholz aufrechterhalten wird. Sie hängt an einem seidenen Faden.
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