Rostock knickt ein: "Remigrations-Sachbearbeiter" wird nach sieben Jahren umbenannt

Am 15. Januar wurde das Wort Remigration zum "Unwort des Jahres 2023" gekürt. In Rostock wird aktuell eine "Sachbearbeiter*in II Remigration" gesucht. Es folgten empörte Reaktionen, auch durch eine WDR-Mitarbeiterin. Der NDR berichtet: "Nach massiver Kritik: Rostock will Bereich 'Remigration' umbenennen".

Der 10. Januar 2024 wird als folgenreicher Tag in die Geschichtsbücher eingehen, und zwar ausgehend von einem manipulierenden, fragwürdigen Artikel des "Correctiv-Rechercheteams". In dem Beitrag: "Neue Rechte – Geheimplan gegen Deutschland" findet sich siebenmal die Begrifflichkeit "Remigration". Fünf Tage nach der Artikelveröffentlichung wird dieses Wort, gesamtgesellschaftlich bis dahin von völlig unbedeutender Wahrnehmung, seitens einer Privatinitiative zum "Unwort des Jahres" gekürt. Das Wort, samt Bedeutung, gilt damit ab sofort als "verdächtig" oder "AfD-Sprachvokabular". Diese Realität musste jetzt auch die Rostocker Ausländerbehörde akzeptieren und eine bereits veröffentlichte Online-Stellenausschreibung löschen. Die zu besetzende Position muss nach sieben Jahren Existenz nun also umbenannt werden.

Deutschland befindet sich erneut im Ausnahmezustand medial-politischer Deutungshoheiten. Die Aktion "Unwort des Jahres" möchte laut Eigendarstellung auf "öffentliche Formen des Sprachgebrauchs aufmerksam machen und dadurch das Sprachbewusstsein und die Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern." Die Jury besteht aus "vier Sprachwissenschaftler:innen und einer Journalistin", diese wären als "ständige Mitglieder": Prof. Dr. Constanze Spieß/Sprecherin (Universität Marburg), Prof. Dr. Martin Reisigl (Universität Wien), Dr. Kristin Kuck (Universität Magdeburg), Prof. Dr. David Römer (Universität Kassel) sowie die freie Journalistin Katharina Küthemeyer.

Eine Pressemitteilung vom 15. Januar informiert zur diesjährigen Wahl:

"Der Ausdruck Remigration ist ein vom lat. Verb remigrare (deutsch 'zurückwandern, zurückkehren') abgeleitetes Fremdwort. Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden."

Euphemismus ist wiederum ein zusammenfassender Begriff für die "beschönigende, verhüllende, mildernde Umschreibung eines anstößigen oder unangenehmen Wortes". Der Begriff "Remigration" war parallel gesellschaftlich vollkommen unbemerkt über Jahre ein fester Begriff in der deutschen Behördenwelt.

Im bereits erwähnten Correctiv-Artikel kam er siebenmal zur anvisierten und erwünschten Wirkung. So heißt es zum Potsdamer Treffen im November 2023, der dritten Erwähnung im Beitrag: "Der Großteil der Vorträge und Gespräche an diesem Tag wird um diesen zentralen Punkt kreisen, die 'Remigration'." Der Begriff wird dabei in dem gesamten Artikel nicht erläuternd zur klärenden Bedeutung definiert, sondern nur manipulativ wertend eingesetzt: "die Frage der Remigration"; "Remigration sei nicht auf die Schnelle zu machen, es handele sich um 'ein Jahrzehnteprojekt"; "ein Remigrationskonzept mitgebracht"; "dem Konzept 'Remigration'" und "Idee der Remigration".

Nun also ist "Remigration" – rein aufgrund dieses Artikels – das "Unwort des Jahres 2023". Am 31. Januar erfolgte um 09:55 Uhr die Veröffentlichung einer Online-Annonce aus dem Büro des Rostocker Migrationsamtes. Der Text lautet in Auszügen:

"Sachbearbeiter*in II Remigration – Wir suchen eine/n Mitarbeiter*in für folgende Aufgaben:

Um 13:26 Uhr vermeldet die WDR-Mitarbeiterin Isabel Schayani mehr als empört:

Am selben Tag erfolgt auf der Webseite "abgeordnetenwatch.de" die schriftliche Anfrage an die SPD-Politikerin Stefanie Drese, Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Eine als Ute L. registrierte Nutzerin konfrontiert die SPD-Politikerin mit der subjektiven Wahrnehmung und direkten wörtlichen Aufforderung:

"Sehr geehrte Frau Drese, ich bitte Sie, dringend zu klären, wie der menschenverachtende, von der (vom Verfassungsschutz in Teilen beobachtete) AfD besetzte Begriff, in die Stellenausschreibung gelangen konnte. Während in ganz Deutschland, auch in Rostock, die Menschen zu Tausenden auf die Straße gehen.
Hier sind Korrektur, Aufarbeitung und Entschuldigung dringend vonnöten!"

Frau Drese antwortet umgehend der besorgten Bürgerin mit folgender erläuternder Feststellung:

"Bundesweit äußern aktuell Vertreter rechtsextremer Kreise Freude über die Tatsache, dass die Hansestadt Rostock die Stelle 'Sachbearbeiter*in für Remigration' ausgeschrieben hat, während dieses Wort jüngst zum 'Unwort des Jahres 2023' erklärt wurde. Den Begriff "Remigration" gibt es allerdings schon 100 Jahre in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Amtsbezeichnung der nun ausgeschrieben Stelle der Hansestadt wird seit sieben Jahren so benannt, also lange bevor nun rechte Kreise dieses Wort für ihre menschenverachtende Politik missbrauchten."

Frau Drese sieht sich zudem dazu verpflichtet hinzuweisen, dass "die zuständige Oberbürgermeisterin Rostocks gegenüber dem NDR jedem Zusammenhang mit rechtem Gedankengut widersprochen und angekündigt hat, über eine Namensänderung nachzudenken." Am 1. Februar lautet das X-Posting von Tareq Alaows, Flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl:

Am selben Tag vermeldet der Norddeutsche Rundfunk (NDR):

"Nach massiver Kritik: Rostock will Bereich 'Remigration' umbenennen – Das Rostocker Migrationsamt hatte zwischenzeitlich eine Stelle als Sachbearbeiter oder -bearbeiterin für 'Remigration' ausgeschrieben. Da dieser Begriff inzwischen (sic!) aber häufig in rechten und rechtsextremen Kreisen verwendet wird, gab es Kritik auch vom Migrantenrat."

Mit ausschlaggebend für diese Entwicklung sei die zuvor getätigte Reaktion der Landtagsfraktion der AfD in der Causa. Dazu heißt es in dem Artikel:

"Die AfD-Fraktion lobte Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke). Sie gehe mit 'gutem Beispiel voran' und helfe, den Begriff aus der 'linken Tabuzone' zu holen. Kröger spricht von einer 'schizophrenen Häme' der AfD, diesen Begriff zu missbrauchen."

Ab sofort lautet die nun zu besetzende Stelle im Rostocker Migrationsamt politisch korrekt tituliert:

"Sachbearbeiter*in II Asyl, humanitärer Aufenthalt"

Das Betätigungsfeld entspricht dabei zu 100 Prozent den Aufgaben der vorherigen "Sachbearbeiter*innen Remigration", jedoch moderater in der Formulierung:

"Wir suchen eine/n Mitarbeiter*in für folgende Aufgaben:

Die Arbeitsfelder: "Prüfen und Verfügen von Ausreiseaufforderungen illegal eingereister Ausländer*innen oder rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber*innen" und "Rückkehrberatung" lauten zusammengefasst nun "Durchführen von Maßnahmen zur Feststellung der Identität von Ausländern nach dem Aufenthaltsgesetz".

Mehr zum Thema - Der "Correctiv-Komplex": Heimliche Artikel-Korrektur des Begriffs "Deportation" zu "Vertreibung"