Nach einem Artikel, der am Montag in Variety veröffentlicht wurde, hat das deutsche Musikvertriebsunternehmen Bertelsmann Music Group (BMG) seine Verbindungen zu Pink Floyd-Mitbegründer Roger Waters wegen dessen politischen Stellungnahmen gekappt. Der 80-jährige Musiker hatte zuvor Israel für die Belagerung des Gazastreifens kritisiert, dem Westen vorgeworfen, den Ukraine-Konflikt provoziert und verlängert zu haben, und die USA "das größte Übel von allen" genannt.
2016 unterzeichnete die Plattenfirma einen Vertrag mit Waters und wollte eine neu aufgenommene Version des legendären Pink Floyd-Albums von 1973, "Dark Side of the Moon", veröffentlichen. Nachdem die Firma aber im vergangenen Jahr einen neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt hatte, Thomas Coesfeld, Enkel des Bertelsmann-Gründers Reinhard Mohn, wurde der Vertrag aufgelöst und die Aufnahme erschien letztlich bei einer Plattenfirma in Großbritannien.
Variety schrieb nun, es habe aus einer Reihe von Quellen erfahren, dass BMG den Musiker gänzlich fallen lassen wolle. Bisher gibt es keinerlei offizielle Stellungnahmen der Firma zu diesem möglichen Schritt, aber Variety betont, dass sich Vertreter von BMG geweigert hätten, Stellung zu nehmen.
In einem Interview mit Glenn Greenwald Ende letzten Jahres deutete Waters selbst an, dass seine Zeit bei BMG wohl bald beendet würde, und merkte an, dass die Trennung das Ergebnis der proisraelischen Positionen der Muttergesellschaft des Plattenlabels, Bertelsmann, sei.
Wegen seiner scharfen Kritik an Israel, seiner Meinungen zum Holocaust, seiner Infragestellung der Version der israelischen Regierung vom Angriff der Hamas am 7. Oktober und seinen Forderungen, die Menschenrechte der Palästinenser zu respektieren, wurden dem Musiker wiederholt Antizionismus und Antisemitismus vorgeworfen. Während Waters sich weigerte, seine Ansichten zu ändern, hat er die Antisemitismus-Vorwürfe vehement zurückgewiesen.
Er wurde im vergangenen Jahr auch das Ziel heftiger Angriffe, nachdem er auf Einladung Russlands vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gesprochen hatte, wo er zu einer Waffenruhe in der Ukraine aufrief und feststellte, die Moskauer Offensive gegen Kiew sei "nicht unprovoziert". Davor hatte er den Westen dafür verurteilt, den Konflikt überhaupt heraufbeschworen und dann durch fortgesetzte Waffenlieferungen an Kiew verlängert zu haben.
Der ursprünglich Gütersloher Bertelsmann-Konzern ist unter den 500 weltweit größten Konzernen und war eine Zeit lang sogar der größte Medienkonzern der Welt. In Deutschland besitzt er Fernsehsender, Buchverlage und Zeitschriften. Er ist in 50 Ländern vertreten. Die Witwe des Konzerngründers Reinhard Mohn, Liz Mohn, traf sich regelmäßig mit Angela Merkel und ihrer Medienoligarchenkollegin Friede Springer zum Kaffeetrinken. Die Tochtergesellschaft BMG ist das fünftgrößte Unternehmen auf dem Musikmarkt.
Die Firma Bertelsmann begann ihren Aufstieg mit Wehrmachtskalendern. Sie ist, wie viele andere Konzerne, als Stiftung organisiert, um Steuern zu sparen, aber unter den deutschen Konzernen vermutlich diejenige, die am massivsten politische Entscheidungen zu lenken versucht.
Am 9. Oktober veröffentlichte Bertelsmann eine Stellungnahme, in der der Konzern seine Solidarität mit Israel erklärte. Aussagen bezüglich der palästinensischen Opfer des israelischen Militärs gibt es keine. Gerade im Kulturbereich wird die massiv proisraelische Haltung deutscher Medien und Politiker immer mehr zum Problem, wie jüngst die Kampagne "Strike Germany" belegte, die zum Boykott deutscher Kultureinrichtungen aufruft, nachdem reihenweise Künstler ausgeladen wurden, weil sie sich für die Palästinenser geäußert hatten.
Im vergangenen Jahr hatte dies auch Konzerte von Roger Waters in Deutschland getroffen: In Frankfurt am Main wurde sein Konzert von der Stadt wegen "Antisemitismus" abgesagt. Auch in Berlin gab es entsprechende Bemühungen.
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