Deutschland ist international bekannt für seine Kunst- und Kulturszene. Trotz immer stärkerer Einschnitte gilt der deutsche Kulturbereich international noch immer als gut finanziert. Bund und Länder lassen sich die Förderung von Museen und Galerien Millionen kosten. Die deutsche Szene gilt als ebenso kreativ wie tolerant und offen.
Inzwischen werden allerdings immer mehr Stimmen laut, die sich um diese Offenheit und Toleranz sorgen. Ursache ist die auch in der deutschen Kunstszene verbreitete einseitige Haltung zu Israel. In der Folge wird die Freiheit der Kunst in Deutschland massiv eingeschränkt – nicht per Gesetz, aber de facto. Künstler und Galerien, die sich kritisch zur israelischen Regierung und dem Beschuss des Gazastreifens positionieren, werden gecancelt. Immer mehr Künstler und Kunstschaffende fordern daher einen Boykott Deutschlands.
Belege für die zwar sehr deutsche, international aber schwer zu vermittelnde Praxis, Kritik an Israel zu unterbinden, gibt es inzwischen mehr als genug. Auf der Documenta 15 wurde die indonesischen Künstlergruppe Taring Padi gecancelt. Auf einem großflächigen Bild, das sich mit der jüngsten indonesischen Geschichte auseinandersetzt, war unter anderem ein Mitglied des israelischen Geheimdienstes Mossad mit Schweinekopf zu sehen. Anlass war ein durch das Militär ausgeführter Genozid im Jahr 1965, bei dem Hunderttausende ums Leben kamen. Der Mossad soll den Verantwortlichen die dazu notwendigen Informationen geliefert haben. Das Werk musste abgebaut werden. Der Fall zog weite Kreise.
Kuratiert wurde die Documenta ebenfalls von einem indonesischen Kollektiv, das offensichtlich nicht mit den deutschen Überempfindlichkeiten vertraut ist. Der Skandal, der sich so wohl nur in Deutschland abspielen konnte, hatte für alle Beteiligten weitreichende Konsequenzen.
Ebenfalls wegen angeblichen Antisemitismus forderte die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), zum Boykott der Konzerte von Pink Floyd-Gründer Roger Waters auf. Sie bedauerte, nicht über die Möglichkeit zu verfügen, die Konzerte verbieten zu lassen.
Dem Berliner Kulturzentrum Oyoun wurde die Finanzierung durch den Berliner Senat gestrichen, nachdem es sich geweigert hatte, eine Veranstaltung mit der Gruppe "Jewish Voice for a Just Peace in the Middle East" abzusagen.
Die "Moderne Galerie" des Saarlandmuseums hat die für das Frühjahr geplante Eröffnung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz abgesagt. Der Grund: Breitz hatte sich kritisch zum Bombardement des Gazastreifens geäußert.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Selbst der international bekannte Club Berghain, der in Bezug auf Drogenkonsum und sexuelle Freizügigkeit umfassende Toleranz walten lässt, sagte einen Auftritt des französisch-libanesischen DJs Arab Panther wegen dessen Haltung zum Nahost-Konflikt ab. Kokain, Speed, Ketamin und Meth sind in Ordnung, aber Solidarität mit Palästina geht dem toleranten Club dann doch zu weit.
Die massiven Eingriffe führen zu einem Reputationsverlust der deutschen Kunstszene. Auf einer eigenen Webseite "Strike Germany" rufen immer mehr Künstler und Kunstschaffende zu einem Boykott Deutschlands auf. In dem Magazin Art News wird berichtet, dass Hunderte Künstler sich angeschlossen haben und die "McCarthy Politik" Deutschlands verurteilen. Sie sehen die Freiheit der Kunst in Deutschland in Gefahr. Auf der Webseite heißt es dazu:
"Wenn es um Israel/Palästina geht, sind Positionen von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen Gegenstand von Background Checks geworden. Kulturinstitutionen durchsuchen soziale Medien, Petitionen, offene Briefe und öffentliche Erklärungen auf Solidaritätsbekundungen mit Palästina, um Kulturschaffende zu isolieren, die sich nicht der uneingeschränkten Unterstützung Deutschlands für Israel anschließen. Dabei wird auch mit der Streichung von öffentlichen Fördergeldern gedroht. Diese Überprüfungen stellen einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechte dar und ermöglichen de facto eine versteckte Form des Racial Profiling.
STRIKE GERMANY fordert Kulturinstitutionen auf, eine solche Kontrolle der politischen Einstellungen von Künstler*innen zu verweigern – und stattdessen auf ihrer Autonomie gegenüber staatlicher Politik zu beharren, zum kritischen Diskurs einzuladen und Dissens zuzulassen. Sie müssen das Grundrecht auf Kunstfreiheit sowie die Rechte auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Teilhabe am kulturellen Leben schützen.”
Zudem setzen sich die teilnehmenden Kunst- und Kulturschaffenden für den Kampf gegen strukturellen Rassismus ein. Sie fordern deutsche Institutionen dazu auf, ihren doppelten Standard in der Bewertung aufzugeben und Richtlinien der Bewertung von Antisemitismus einzuführen, wie sie in der "Jerusalem Declaration of Antisemitism" festgelegt sind.
"STRIKE GERMANY ist ein Streik gegen antipalästinensischen Rassismus und Zensur in ihren ausgeprägtesten offiziellen Formen. Während der Gazastreifen zerstört wird, ist es die Verantwortung Kunstschaffender, für internationaler Solidarität einzustehen und für das Recht, gegen das andauernde Massaker die Stimme zu erheben."
Der Aufruf macht deutlich, wie sehr sich Deutschland inzwischen durch die bedingungslose Unterstützung Israels isoliert hat und das Ausland einen Rückfall Deutschlands in den Totalitarismus fürchtet. Dieses Mal aus falsch verstandenem Philosemitismus.
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